Vietnam 2 - Viel Ärger, viel kalt, viel schön

 

 Unser erstes Ziel im Norden Vietnams ist der Ban Gioc Wasserfall, Vietnams größter und berühmtester Wasserfall, und er liegt direkt an der chinesischen Grenze. Für die ca 400 km benötigen wir 3 Tage. Wenn alles glatt läuft (was eher selten der Fall ist) schaffen wir maximal 175 km am Tag. Ich habe mir zwar eine Art Kissen aus meinem Regenanzug gebastelt, aber trotzdem können wir  immer  nur so um die 40 km am Stück fahren, bis unsere geschundenen Knochen eine Pause brauchen und selbst dass ist am Nachmittag schon zu viel verlangt

Hinzu kommt noch, dass ich einmal beim Absteigen mit dem Hosenbein im Haken von einem Spanngurt hängen geblieben bin – Gott-sei-Dank hat das Hosenbein nachgegeben, bevor ich das ganze Moped mitsamt Kevin umgerissen habe. So bin nur ich gefallen und habe außer meinem Stolz noch das Handgelenk gezerrt. Außerdem sind die Betten in Vietnam so hart, dass man sich im Liegen von den eigenen Knochen blaue Flecke holt und obwohl ich meine Reisematte für den Rücken dabei habe bin ich morgens so steif wie ein Brett und kann mich kaum noch bewegen. Mein einziger Trost ist, dass alle Anderen inklusive der beiden jungen Leute auch nicht länger auf den Mopeds aushalten. Ist ja auch nicht schlimm, wenn wir langsam unterwegs sind, wir haben ein Dreimonatsvisum und somit keinen Zeitdruck auch wenn wir definitiv nicht vorhaben, 3 volle Monate hier zu verbringen.

Bis auf ein paar platte Reifen, mal an Johans Motorrad, mal an unserem  passiert ansonsten auf unserem Weg in Richtung Norden nicht viel.  Johans  Reifen wurde ja schon mal geflickt aber das hat offensichtlich nicht lange gehalten – also kauft er in der nächsten Werkstatt einen neuen Reifen und Schlauch – das ist soo teuer nicht – kostet  um die 10 €. Immer wenn wir irgendwo eine Xe Mai anfahren,  versammelt sich eine Traube von Einheimischen um uns, wir sind schon eine Attraktion – vor Allem die beiden Männer mit ihren langen Bärten werden bestaunt, aber auch ich bin sehenswert, denn so verglichen mit Vietnamesen bin ich schon auffallend groß und schwer. Es ist schön, dass immer wieder mal eines von den Kindern versucht mit ein paar Brocken Englisch Kontakt aufzunehmen und sich dann freut dann, wenn es eine Antwort bekommt. Gewöhnlich handelt es sich um  Sätze wie: „How are you?“ oder „What’s your name?“

Wir sind nun in den Bergen und die Landschaft ist sehr schön – schade nur, dass es Winter ist. Die Reisterrassen sind abgeerntet und gelb und in den Bergen hängt dichter Dunst, so dass die Bilder, die wir immer wieder machen müssen nicht so klar werden, wie wir es gerne hätten – aber schön ist es trotzdem. Überall winken uns die Menschen zu – besonders die Kinder und es macht Spaß. Eine Herausforderung ist immer wieder, etwas zu Essen zu finden Das Bestellen ist immer recht schwierig und so machen wir meist einfach schaufelnde Gesten und warten, was dann kommt aber irgendwie bekommen wir es doch immer wieder hin, das wir alle satt werden und wenn wir auch nie wissen, was wir bekommen werden, ist doch so ziemlich alles, was man uns so auftischt sehr lecker – mit einer einzigen Ausnahme: einmal suchen wir morgens etwas zum Frühstück und finden eine kleine Suppenküche am Straßenrand. Es gibt eine schleimige wässrige Reispampe mit Innereien. Ich habe ja nicht unbedingt ein Problem mit Innereien, aber zum Frühstück brauche ich sie dann doch nicht und außerdem habe ich noch aus Krankenhauszeiten eine extrem große Abneigung zu wässrigen Breien. Ich überwinde mich zwar, wenigstens zu probieren, aber das war‘s dann auch – Johan versucht es gar nicht erst und die Anderen behaupten, dass es schmeckt, aber die Gesichter sagen definitiv etwas Anderes. Ansonsten – wie gesagt – ist das Essen hier wirklich lecker und besonders haben es uns die vietnamesischen Frühlingsrollen angetan. Hiermit behaupte ich: die sind die Besten der Welt und das mit egal welcher Füllung auch immer!

Immer wieder treffen wir in diesem Land auf noch nie gesehene exotische Dinge, so stehen wir einmal in einem Restaurant vor einem Regal mit den seltsamsten Flaschen – da sind Schlangen, Hühnerfüße, Salamander, Katzenpfoten, Krokodilsköpfe und was auch sonst noch in Flüssigkeit – wir werden sicher nichts davon probieren, aber für Fotos macht’s was her.

Es ist nicht wirklich warm und die Einheimischen laufen in dicken Wintersachen rum. Alle grüßen uns freundlich – manche sogar recht überschwänglich und so langsam versöhne ich mich ein wenig mit diesem Land – Saigon und Hanoi waren vielleicht nicht unbedingt die besten Orte, um einen Einstieg in Vietnam zu machen….

Wir fahren auf und ab durch überwiegend kleine Dörfer zwischen hohen Bergen mit Reisterrassen in den Tälern und alles wirkt malerisch, allerdings kommen wir auf immer kleineren Straßen vorwärts und die werden immer schlechter – überall Riesenlöcher, Staub und Steine.

Die anderen sind jeweils alleine auf ihren Mopeds, aber wir haben Probleme – das ganze Gewicht, also das Gepäck und ich sind hinten und immer wenn wir in einem Loch landen hängt das Vorderrad in der Luft und ich bekomme den dicksten Schlag ab – wenn wir es herausgeschafft haben schaukelt das hintere Ende wie ein Lämmerschwanz und wir hopsen noch ein paar mal nach. So langsam weis ich auch nicht mehr, wie ich noch sitzen soll – mein Hintern tut weh – egal wie ich auch hin und her rutsche – nicht, dass ich dazu allzu viel Platz hätte, meine Knie fühlen sich an, als ob sie gleich abbrechen und mein Handgelenk ist auch nicht viel besser und ich bin über jeden Halt froh. Kevin beklagt sich über Messerstiche in der Schulter – tja wir alten Esel müssen uns das ja unbedingt noch antun …! Dann kommen wir in eine ganz üble Baustelle – wir hopsen durch die Löcher und müssen öfter anhalten, weil wir nicht um den Gegenverkehr herumkommen und rutschen mit dem Moped rückwärts den Berg runter. Kevin ist laut am Lachen – dem Verrückten macht das auch noch Spaß! Ich freue mich immer mehr auf den Tag, wo wir unsere gute alte Liza wieder haben, muss aber gleichzeitig gestehen, dass wir mit dem Beiwagen hier noch mehr Probleme hätten, bloß mein Hintern würde nicht gar so weh tun.

Nach fast dreiTagen erreichen wir endlich unser erstes  Ziel nach Cat Ba – eine kleine Stadt, fast an der chinesischen Grenze. Es ist hier alles etwas trostlos und wir müssen schon suchen, bis wir eine Bleibe gefunden haben. Das ganze Haus stinkt übel nach Katzenpisse.  Wir duschen erst mal alle und ich mache die längst überfällige Wäsche, dann ziehen wir los, um irgendwo was zum Abendbrot aufzutreiben. Es ist schon dunkel, die Bordsteine sind hochgeklappt, aber irgendwann finden wir dann doch wenigstens eine Suppenküche – Pho heißt die Nudelsuppe hier, die es mit den unterschiedlichsten Fleischstückchen und einem dicken Nest langer Reisnudeln gibt (die Nudeln und Fleischbrocken isst man erst mit Stäbchen, dann kann man die Brühe trinken) Bis jetzt haben wir fast jeden Tag eine andere Sorte Pho probiert, die macht warm und satt, schmeckt meist und ist billig– also ist das schon mal ein guter Fund. Auf dem Weg zurück zur Herberge wollen wir uns eigentlich noch was zu trinken kaufen, aber jetzt haben auch schon alle Geschäfte zu.

Am nächsten Morgen ist alles dick im Nebel – Aussicht gleich Null. Wir beschließen, uns ein anderes Gasthaus zu suchen, aber im gleichen Ort zu bleiben. Wir packen also unsere Motorräder und fahren weiter in den Ort– gegenüber vom Markt werden wir fündig..  Da wir alle ziemlich hungrig sind werden erst Mal nur die Motorräder abgestellt und wir besorgen uns auf dem Markt etwas Obst und Hustenbonbons. Heute ist aber auch so ein richtiges Mistwetter – zum ersten Mal seit wir in Vietnam sind und gemein kalt ist es außerdem.

Wir bringen unsere Einkäufe in die Zimmer und entladen die Motorräder – es ist mal wieder schwierig, zu erklären, das wir zu dritt ein Zimmer haben wollen, und dann ist es eine Mission, ein drittes Kissen und Handtücher zu bekommen, dafür bringt man uns eine Thermosflasche mit heißem Wasser, 5 Gläser und noch einen Löffel, da können wir uns ja gleich noch mal alle einen Kaffee machen. Tessa erzählt uns, dass es Morgen noch schlechteres Wetter geben soll, also beschließen wir bis zum frühen Nachmittag abzuwarten, ob es nicht doch etwas aufklart und dann heute noch zum Wasserfall zu fahren, damit wir nicht noch einen weiteren Tag in diesem doch etwas trostlosen Ort verbringen müssen.

Es klart nicht auf und wir wickeln uns in unsere Regensachen und fahren los.  Es ist nicht allzu weit, aber wir sind schon schwer durchgefroren, als wir ankommen und dann fahren wir auch noch dran vorbei und ein ganzes Stück am Fluss lang bevor wir das bemerken und anhalten, um umzudrehen. Da hat Alex plötzlich mal wieder Probleme mit seinem Moped – der Gaszug schließt nicht mehr und der arme kleine Motor jault erbärmlich (kommt mir irgendwoher bekannt vor) Ca. 1 Km oder ein wenig mehr sind wir an einem kleinen Dorf vorbei gekommen und denken, dort gibt es bestimmt eine Werkstatt. Bis Alex irgendwann in Saigon ankommt wird er wenn er weiter so viel Pech hat  ein komplett neues Moped fahren.

Wir drehen um und fahren bis zum Wasserfall zurück, während Alex mit heulendem Motor und Angst im Nacken, dass ihm selbiger bald um die Ohren fliegt zum Dorf weiterfährt.

Um Eintrittskarten kaufen zu können müssen wir unsere Pässe vorzeigen ( die Nummern werden aufgeschrieben) wir lassen unsere Helme bei dem Uniformierten am Eingang zum Wasserfall zurück  und wandern den Weg ins Tal. Wenn das Wetter schön wäre, hätte man hier sicher eine tolle Aussicht, aber dafür sind heute kaum Verkäufer da, die einem was andrehen wollen und die sitzen auch lieber unter ihren Planen im Trockenen und außerdem sind nicht viele andere Besucher da. Wir müssen über ein paar recht wackelige Bambusbrücken und machen ein paar Fotos, aber es ist einfach zu nebelig und so geben wir bald auf

Kevin wird mal wieder mit seinem Rauschebart zu Attraktion der Einheimischen und posiert gutmütig mit ihnen  vor der Kamera.

Als wir zurück kommen ist Alex auch schon wieder da und alles ist gerichtet. Wir gönnen uns einen Kaffee, müssen uns aber dann sputen, damit wir noch im Hellen zurückkommen – die Straßen (wenn man sie denn so nennen will) sollte man nicht unbedingt im Dunkeln befahren – wir landen so schon

oft genug in Löchern und die Stoßdämpfer der armen kleinen Mopeds  schlagen jedesmal bis unten durch und wippen anschließend noch 10 mal nach.

Wieder im Hotel angekommen  sind wir durchgefroren, es ist nun auch dunkel und der Markt hat zu – nur unsere Suppendame ist noch da, also gönnen wir uns eine heiße Nudelsuppe mit Ente – das wärmt und sättigt und dann reitet uns der Teufel – wir beschließen, ihren Reiswein zu versuchen. Der hat einen komischen Film obendrauf, schmeckt aber gar nicht mal so schlecht und irgendwie auch nicht sehr hochprozentig und wir sind schwer überrascht, dass er uns alle auf einen Schlag sehr betrunken macht.

Am nächsten Tag ist wieder das schönste Wetter (die Vorhersagen scheinen hier auch nicht besser zu sein, als zu Hause) aber nun haben wir den Wasserfall ja gesehen und nur, um ein paar schönere Fotos zu machen noch eine Nacht  in diesem trostlosen Nest zu bleiben und noch mal Eintritt zu zahlen ist die Sache nicht wert. Wir finden eine malerische kleine Straße die uns zurück nach Cao Bang führt. Obwohl der Weg nicht besser ist, als ein Feldweg zu Hause und viel Konzentration abverlangt genießen wir alle die wunderschönen Aussichten.. Unseren Pechvogel Alex trifft es mal wieder – er rutscht auf dem losen Schotter aus und bei der Tour verbiegt es ihm den Lenker und eine Fußraste und nun kann er nicht mehr schalten (der Schaden ist im nächsten Dorf mithilfe eines Hammers schnell behoben). Trotzdem genießen wir alle die unglaubliche Landschaft und am meisten den wärmenden Sonnenschein auch wenn wir mal wieder nicht viel mehr als 60km bis zur nächsten größeren Stadt schaffen.

Hier trennen sich nun unsere Wege – Kev, Johan und ich wollen zum Dong Van Karst Plateau Geopark. Ein Gebiet, für das man bis vor wenigen Jahren noch einen Führer und eine spezielle Genehmigung beantragen musste – Tessa und Alex zieht es in südlichere Gefilde. Allerdings wollen auch sie am Ende nach Sapa, wo wir uns dann wahrscheinlich wieder treffen werden.

Es hat sich wieder zugezogen und wir haben Probleme, den Weg zu finden, obwohl wir Johans GPS zur Hilfe haben. Hier gibt es kaum Straßen und die wenigen sind sehr schlecht und oft nicht auf Karten eingezeichnet, so dass wir überwiegend einfach die generelle Richtung schätzen müssen. Wir schrauben uns kleine holprige Pässe hoch, die Berge werden immer höher und bald sind wir in den Wolken. Schon nach kurzer Zeit beginnt Johans Moped merkwürdige Geräusche von sich zu geben, so dass wir in einem kleinen Dorf an einer Werkstatt anhalten, wo mal wieder ein Radlager ausgetauscht wird. Einer der Einheimischen, die sich wie üblich um uns versammelt haben spricht ein wenig Englisch und freut sich, uns mitteilen zu können, dass wir am Nachmittag Regen erwarten dürfen – na toll Wir machen uns wieder auf den Weg.

 

Zuerst scheint alles in Ordnung zu sein und wir winden uns weiter im dicken Nebel rauf und runter, aber schon nach 20 km als wir in die nächste Stadt kommen rattert wieder irgendwas laut an Johans Hinterrad. Das Geräusch scheint irgendwie vom Kettenkasten zu kommen und so schraubt er kurzerhand das Teil ab, macht eine kleine Proberunde und alles scheint wieder in Ordnung zu sein – allerdings habe ich nun ein Problem – ich habe mir beim Absteigen so richtig übel das Knie verdreht, das nun steif ist und anschwillt – ich kann allerdings noch alles bewegen. Wäre auch nicht unbedingt mein größter Wunsch, hier zum Arzt zu müssen. Kevin muss nun allerdings immer eine hohe Bordsteinkante oder einen Stein finden, wo ich auf und absteigen kann – das ist etwas lästig. Wir beschließen, hier eine Mittagspause zu machen und drehen etliche Runden, bis wir endlich eine kleine heruntergekommene schmutzige Bude finden, in der es etwas Essbares zu geben scheint. Tja – wenn man keine Wahl hat, kann man eben nicht wählerisch sein. Wir hocken uns hin, fragen nach Com (Reis) und machen Essgesten und bekommen das leckerste Mahl das wir jeh hier hatten – da sieht man mal wieder, man sollte nie ein  Buch nach seinem Umschlag beurteilen. Zum Schluss kommt der Wirt mit einer Flasche Reiswein und füllt uns ab, bis unsere Laune langsam wieder besser wird. Obwohl es nun schon 3 Uhr nachmittags ist beschließen wir noch die restlichen 60 km bis zu unserem geplanten Etappenziel zu fahren.

Schon bald klettern wir wieder höher und höher ins Gebirge der Nebel wird zur Wolkendecke und es wird immer kälter. Nach einer langen holprigen Baustelle hält Johan wieder an – er hat neue Probleme mit seinem Motorrad, die Kupplung rutscht und seine kleine Honda hat Schwierigkeiten, den Berg hochzukommen – irgendetwas riecht auch verschmort und da wir hier mitten im Nichts sind bleibt uns nichts anderes  übrig, als weiterzufahren und zu hoffen, dass wir nicht ganz liegen bleiben. Die Honda stinkt dermaßen nach verbranntem Gummi, dass wir es hinter ihm riechen können. Johan ist außer sich und meint, dass die Scheißkarre nun auch keine Hinterradbremse mehr hat. Wir alle haben nun die Nase gestrichen voll, ich würde am liebsten alles hinwerfen, mich in den nächsten Zug setzen und auf dem schnellsten Weg zu unserer wundervollen, verlässlichen und bequemen Liza eilen und Johan scheint kurz davor, seine Nudel einfach am Straßenrand abzufackeln- Kev ist im Moment der Einzige, dem noch etwas daran liegt, mehr von diesem Land und vor allem vom Norden zu sehen. Er schwärmt uns von den ethnischen Minderheiten etwas vor und von der Schönheit des Hochgebirges. Wir sehen allerdings von der Landschaft seit einiger Zeit schon so gut wie nichts, frieren uns alles ab und Frauen mit unterschiedlichen Kopftüchern reißen es auch nicht raus  und ich kann mich auch nicht unbedingt daran ergötzen, dass eben diese ethnischen Minderheiten extrem arm sind.

Manchmal, wenn die Wolkendecke etwas aufreißt bekommen wir einen kurzen Blick ins Tal und das reicht um zu erkennen, dass die Aussicht, wenn wir sie denn hätten spektakulär sein muss – allein die Reisterrassen sind Kunstwerke für sich und das obwohl sie momentan nur mit gelben Stoppeln bedeckt sind. Immer mal wieder steht einer von den weißen „Grabsteinen“ am Straßenrand, der uns sagt, wie viele Km wir noch bis Bao Lac fahren müssen und sie ziehen sich wie Gummi. Es wird langsam dunkel und die Talfahrt mit ihren Haarnadelkurven, dem Schotter und den riesen Löchern im Asphalt wird langsam beängstigend und wir beten, das Johans Mühle durchhält. Es ist stockduster, als wir endlich in der Stadt ankommen, es gibt keine Straßenlampen und wir können so gut wie nichts erkennen und sehen auch kein Hotel. Nach einigem Gezirkel und mehreren falschen Richtungsangaben finden wir dann zwar ein Hotel aber dort dann keine Menschenseele. Irgendwann hören wir Geräusche in einem der Zimmer und klopfen eine junge Vietnamesin heraus. Diese spricht zwar kein Wort Englisch, ruft  aber per Handy jemanden herbei, der uns weiterhelfen kann

Völlig abgenervt, müde und niedergeschlagen warten wir bis endlich ein netter Mann auf einem Roller ankommt, der uns ein Zimmer vermietet, eine Flasche billigen chinesischen Wodka verkauft und uns dann sogar noch eine Thermosflasche heißes Wasser mitgibt. Nach einer heißen Dusche und ein paar Tassen Kaffee mit Fusel hebt sich die Stimmung ein wenig und wir hoffen, dass Morgen alles besser wird

Am nächsten Tag ist mein Knie völlig steif und dick und ich kann kaum laufen. Wir beschließen eine zusätzliche Nacht hier zu verbringen und während ich mein Knie hochlege und einen Tag krankfeiere sind die Männer unterwegs und lassen Johans Mühle richten – es wird teuer, er braucht eine komplett neue Bremstrommel mit allem drum und dran und tauft sein Motorrad auf den Namen Grunpuss (afrikaans) , was ich nicht unbedingt übersetzen möchte (Grünes weibliches Geschlechtsorgan mit 5 Buchstaben und F am Anfang).  Nach all der Arbeit für die Männer und einem Tag Ruhe und kühlen für mein Knie können wir weiter.

Es ist mal wieder ein recht trüber Tag und es ist gemein kalt und wir müssen uns da wir keine  warmen Sachen dabei haben in Jeans und Motorradjacke warmzittern. Die Einheimischen haben dicke gefütterte Wintersachen an. Wir haben schon gleich am Anfang Schwierigkeiten, den Weg zu finden und irgendwie verstehen uns die Einheimischen auch nicht und so recht und so fahren wir nach ein paar Sackgassen halt über eine Fußgängerbrücke (ich wollte davon zu gerne ein Foto machen, aber Kevin bleibt an einem Eisenteil in der Mitte hängen und schmeißt uns schon hier fast hin) und oh Wunder – danach geht die Straße tatsächlich weiter – es ist eigentlich eine wahre Übertreibung, dies eine Straße zu nennen – und wir klettern nun langsam in die Höhen. Schade, dass es so diesig ist, denn die Berglandschaft um uns herum scheint schon sehr schön zu sein. Wir kommen immer wieder durch kleine Dörfer, in denen wir angestarrt werden und das obwohl wir auf hiesigen Motorrädern unterwegs sind – na ja wahrscheinlich fallen unsere Helme alleine hier schon auf. Die Helme hier sind wirklich nicht viel mehr, als Pisspötte und die für die Frauen haben hinten einen Schlitz für den Pferdeschwanz!

Am Anfang waren noch Teerflecken in der Piste, aber das gibt sich auch bald und irgendwann sind wir nur noch auf Schotter und Erde. Johan hat zwar ein Navi, aber die Straßen sind einfach nicht darauf zu finden und so wissen wir eigentlich nur, dass wir ungefähr in die richtige Richtung fahren.

Irgendwann kommen wir an eine Kreuzung und wissen nun einfach nicht mehr, wo wir weiterfahren müssen. Eine Frau kommt auf einem Roller und wir fragen sie nach MeoVac und sie zeigt nach einer Weile etwas unsicher in die Richtung, aus der wir gerade gekommen sind. Wir wissen nun nicht, ob sie uns verstanden hat und so fragen wir zwei junge Männer, die auch neben uns angehalten haben – die winken uns, ihnen zu folgen, was wir dann auch tun. Die schlechte Schotterstrecke wird irgendwann immer schmaler  und schmaler und plötzlich sind wir auf einem einspurigen Pfad, der mit tiefen Rillen durchzogen ist und es geht steil auf und ab, mit NICHTS an der Seite, nur steile Abhänge. Ich mache mir mittlerweile schon fast in die Hosen und dann geht es steil bergab mit HAARNADELKURVEN. Die meisten schaffen wir, wenn auch nur mit ach Ach und Krach und irgendwann ist unser Glück dann endlich aufgebraucht und wir bleiben in einer Rille hängen, aus der wir nicht mehr herauskommen und dann liegen wir auch schon auf der Nase. Ich bin mit Kevin verknotet, das Motorrad läuft noch immer und Benzin  läuft aus, während Kev mich anbrüllt, das ich absteigen soll ( würde ich ja, wenn ich wüsste, wie ich meine Beine aus dem Knoten friemeln soll !) Endlich sind wir beide entwirrt, abgestiegen und haben alles wiederaufgerichtet. Der Blinker ist hin, die Fußrasten und der Lenker sind verbogen (nichts, was ein dicker Hammer nicht richten könnte aber wir haben gerade keinen zur Hand) Johan kommt nun auch dazu und hilft uns, wenigstens den Lenker wieder gerade zu biegen, aber sonst ist alles heil. Widerwillig steige ich wieder auf und wir klettern den Berg weiter runter – was bleibt uns auch anderes übrig, umdrehen ist an diesem Punkt auch nicht mehr möglich. Kev mault mich an, weil ich ihm dauernd sage, dass er gefälligst nach vorn schauen soll – er meint, ich müsste mehr Vertrauen In ihn haben(dabei haben wir uns gerade gelegt und er schaut dauernd nach allen Seiten und fragt mich zu allem Überfluss, ob der Vogel, den er gerade gesehen hat ein Dschungelhahn ist – sorry ich glaube, da wären noch ganz Andere etwas nervös!) Und dann stehen wir vor einem Fluss, es gibt ein schmales Bambusfloß, dass an Kabeln hinübergezogen wird und auf der anderen Seite geht es schon wieder einspurig steil nach oben und ich kann schon von hier sehen, dass dies nicht mit uns Beiden und dem Gepäck klappen wird. Vorher ist allerdings erst mal die Überquerung dran!  Zuerst manövriert Kevin unsere Minna auf das Floß und wird auf die andere Seite gezogen, dann Johan und ich. Ich halte Helme und Kameras und stehe auf dem Floß mit den Füßen im Wasser wie eine Statue, weil ich Angst habe mit meiner wertvollen Fracht ins Wasser zu fallen und Johan hält sein Moped fest. Sowas passiert alles eigentlich nur anderen Leuten (echte Abenteurer mit Stahl im Blick und Crossbikes unter dem Hintern) und dann auch nur im Film! Drüben angekommen wartet der nächste Schock auf uns – der Flößer verlangt 200000 Dong für unsere Überfahrt – tja jetzt sind wir hier und müssen latzen! Ich laufe schon mal den steilen Berg zu Fuß hoch – zu zweit mit dem Moped schaffen wir das nie, aber der Berg zieht sich und unsere Fremdenführer sind mittlerweile auch übergesetzt und haben uns auch schon überholt. Kev hat angehalten, um mich weiter mitzunehmen, aber es ist immer noch zu steil und nun meint einer der beiden jungen Männer, er könnte das besser und schwingt sich auf unser Moped, nur um es fast in der nächsten Kurve selbst den Berg runter zuschmeißen. Wir entladen die Hälfte des Gepäcks und ich laufe weiter zu Fuß, der junge Mann nimmt unser Moped mit und der andere packt Kevin auf den Rücksitz und meinen Rucksack vor sich – wir müssen noch die Bezahlung klären und die Beiden haben die Frechheit, 500 000 Dong von uns zu verlangen – mit einiger Verhandlung einigen wir uns auf 200 000 (für die Jungs sicher mehr als einen Monatslohn, aber wir wären ohne die Beiden sicher aufgeschmissen gewesen und irgendwann haben wir es tatsächlich wieder bis zur Straße geschafft, wo wir uns verabschieden und auch nach einer Weile wieder Wegweiser finden. Wir sind nun in den Wolken und sehen ziemlich wenig aber man kann erahnen, dass die Aussichten unvergleichlich sein könnten.  Die Schotterlöcherstraße macht mir nun auch nichts mehr aus – ich weiß, dass es immer noch schlimmer sein könnte. Wenigstens hat sich der Himmel während des ganzen Fiaskos aufgeklart und Kevin (der Verrückte) ist trotz einem blauen Bein der Ansicht, dass dies der tollste Tag der ganzen Tour bisher war.

Von hier aus läuft alles wie geschmiert, es geht bergauf, bergab mit Aussichten, die man sich nicht vorstellen kann und selbst ich muss so langsam gestehen, dass wir den Geopark nicht hätten missen dürfen (außerdem kommt auch in mir so langsam etwas Abenteuerlust durch und im Nachhinein war der Tag tatsächlich ein Wahnsinnserlebnis).  An den wirklich freundlichen Einheimischen merkt man, dass dies keine Tourismusecke ist und immer wieder erleben wir schöne und manchmal auch skurrile Geschichten – so werden wir immer wieder von Vietnamesen angesprochen und obwohl die Verständigung schlecht ist zu allem möglichen eingeladen ( manchmal zu Reiswein und einmal müssen wir Hufmedizin, die am Straßenrand gekocht wurde und für alles von Gelenken bis zu verbesserter Hirnaktivität gut sein soll probieren).

Irgendwann kommen wir endlich in Sapa an: Touristenhochburg sondergleichen und in der Nähe des Fransipan – der höchste Berg Vietnams. Weil es hier so dermaßen kalt ist, dass alles sich feucht anfühlt und wir nur dünne Decken haben lassen wir uns sogar dazu hinreißen extra 3 USD pro Tag für einen Heizlüfter im Zimmer zu bezahlen. In und um die Stadt leben diverse ethnische Minderheiten,  die hier alle in ihren traditionellen Kostümen herumlaufen und jedem Touristen den ganzen Tag hinterherlaufen um ihre Waren an den Mann und die Frau zu bringen. Das kann teilweise extrem lästig werden. Wir treffen hier auch wieder auf Alex und Tessa, mit denen wir Johans Geburtstag in einer der unvermeidlichen Karaokebars feiern.

Der Höhepunkt der Zeit in diesem Ort ist allerdings eine Trekkingtour mit Guide und Homestay (Übernachtung bei einer ansässigen Familie) in einem der benachbarten Täler. Wir werden mit dem Bus zum Anfang des Tales gebracht und wandern dann mit einem englisch sprechenden Führer los und werden von einer Truppe der ansässigen Damen in traditioneller Tracht schwatzend begleitet. Natürlich werden wir zu allen möglichen Läden geschleppt, wo traditionelle  Künste wie idigofärben, weben, schnitzen und was weis ich noch vorgeführt werden und die ganze Ethnikgeschichte wird bis ins letzte ausgereizt – so ein bisschen  bewohntes Freilichtmuseum – jeder will den Touristen so viel wie möglich verkaufen und das kann ganz schön lästig werden – man fühlt sich ein wenig, wie ein Dollarschein auf Beinen – fast jedes Gespräch endet in:“ you buy“…. was auch immer, aber das Ganze ist ein Geschäft, die Leute sind zwar aufdringlich, aber freundlich – sie versuchen einem hartnäckig zu überreden, aber werden trotzdem nicht grantig, wenn man nichts kauft – ich glaube allerdings nicht, das irgendwer es schafft, dass Tal zu verlassen ohne wenigstens eine Kleinigkeit zu erstehen – das heißt Moment, einen kenne ich doch, Kevin hat sie einfach alle zu mir geschickt und ihnen gesagt, ich hätte den Geldbeutel.

Das Tal ist allerdings unglaublich schön, die Reisterrassen noch einen Tick spektakulärer, kunstvoller als alles, was wir bisher gesehen haben und auch die Übernachtung bei einer Familie im Tal ist ein Erlebnis. Wir werden hier verköstigt und  so bekomme ich endlich die Gelegenheit, zu lernen wie die köstlichen vietnamesischen Frühlingsrollen gemacht werden und selbst Kevin und Johan versuchen sich im Rollen drehen. Anschließend essen wir alle zusammen an einem großen Tisch. Unser Fremdenführer hat und versprochen, uns ein Kartenspiel beizubringen und darauf nagele ich ihn nun fest – stattdessen machen wir dann allerdings mehr ein Trinkspiel: der Packen Karten wird auf eine Flasche gelegt und dann muss jeder versuchen mit einem Atemzug mindestens eine aber maximal 3 Karten von dem Stapel zu pusten. Wer keine oder mehr Karten erwischt muss einen Reiswein trinken. Wir haben alle recht viel Spaß bei der Geschichte – die Hausherrin und Kevin  bekommen die meisten Gläschen ab und wir müssen jedesmal mit „Chuck Muk Nam Moi „ (Prosit Neujahr) anstoßen, denn Tet das wichtigste vietnamesische Fest ist nicht mehr weit.

Nach Pfannkuchen zum Frühstück wandern wir weiter in einem großen Bogen auf mehr oder weniger steilen Trampelpfaden um das Tal herum, wieder begleitet von einer Truppe Frauen, die schwatzend und scherzend in Flipflopps leichtfüßig mit uns klettern, dabei unser Gepäck in ihrer Kiepe tragen und mich dann noch stützen und dafür sorgen, dass ich mithalten kann (natürlich kaufe ich am Ende auch von ihnen eine Kleinigkeit).Unser Guide unterhält uns mit vielen interessanten Informationen – zum Beispiel, dass ein Wasserbüffel  30 Mio. Dong kostet, ein weißer Wasserbüffel allerdings 40 Mio., denn die zählen als besondere Glücksbringer. Er muss nun sparen, denn wenn er seine Angebetete heiraten will   muss er vorher 2 Wasserbüffel besitzen – er schätzt, dass er dafür noch 2 Jahre sparen muss. Als wir am  Ende wieder an der Stelle ankommen, wo wir mit dem  Bus abgeholt werden, warten hier wieder jede Menge Frauen und auch Kinder, die uns etwas verkaufen wollen, aber jetzt mit dem Argument: I don’t follow you – you buy from me!“  Jetzt will ich allerdings weder ein Armband noch ein Tuch oder Tasche – alles schon erledigt und auf der kleinen Honda, mit der wir morgen wieder weiterfahren ist kein Platz mehr.