China Teil 2 - ich will mehr, will weg

 Noch in Xi an als Ergebnis längerer Diskussionen schreibt Martina eine Mail an das chinesische Reiseunternehmen, um zu sehen, ob wir das Tempo nicht ein wenig reduzieren und evtl. ein paar extra Tage in China verbringen können damit wir nicht dauernd rumrennen müssen, schließlich wollen wir ja auch etwas Spaß an der Sache und zumindest Zeit für ein paar Bilder haben. Wir müssen eigentlich in 2 Tagen in Chengdu sein, aber das sind über 900 km – das wird schwer. Also stehen wir um 6 Uhr auf und beladen unsere Motorräder – wir müssen den Highway nutzen, um Xi an zu umfahren. Eigentlich dürfen wir das nicht, aber heute ist in China ein Feiertag und es wird schwer genug, irgendwo durchzukommen.

Natürlich verfahren wir uns mal wieder  und dann müssen wir noch alle tanken und dabei fällt auf, dass das Benzin aus der neuen Pumpe von Anders rausläuft. Um überhaupt den Fehler suchen zu können muss der frisch befüllte Tank geleert werden, was mit einem dünnen Schlauch und Benzin ansaugen geschieht.  Die Aktion ist Gott-sei-Dank erfolgreich, aber dauert ihre Zeit gemeinsam mit dem Verfahren  sind schon 2 Stunden unseres Tagespensums vorbei, ohne dass wir die Stadt überhaupt verlassen haben und nun kommen wir auch nicht wirklich schnell voran, weil überall Stau ist.

Die Nummer Eins der chinesischen Guides mit ihrem Hightech Navi  verschafft uns täglich diverse Runden im Kreis und wenn er den richtigen Weg findet, dann ist am Ende eine Baustelle, die uns entweder zum langen Warten oder zum Umkehren zwingt. Hier ist es eine nicht befahrbare Brücke.  Man hat ein Rohr in den Fluss gelegt und Erde darüber geschüttet  die  Spur ist allerdings sehr eng und nun haben sich ein LKW und ein Bus  gegenseitig die Spur zugefahren und keiner kommt mehr durch. Also stehen wir alle da und beobachten das Gezirkel.  Irgendwann haben die Beiden es tatsächlich irgendwie geschafft und es kommt wieder Bewegung in die Sache. Die Motorräder hatten genug Platz und konnten schon rüber fahren, aber der Jeep und wir stecken in der Schlange, die sich langsam die steilen schlammigen Ufer  runter und rauf quält. Vor uns bleibt natürlich Einer stecken. In der Mongolei wären jetzt gleich welche eingesprungen und hätten schieben geholfen aber hier kommt keiner und so quält sich der Kerl vor und mehr zurück und da hier keiner Platz gelassen hat kann er auch nicht viel Schwung holen. Aber irgendwann hat er es doch geschafft und so kommen wir alle hoch – auch wir!

Kurz nach dieser Brücke fängt die Straße an sich einen Berg hochzuwinden und auch der Verkehr verliert sich so langsam und es gibt auch keine LKW mehr. Die Landschaft hier ist einfach atemberaubend. Wir sind im Foping Tal, einem Naturschutzgebiet und es gibt hier nur kleine Dörfer, ein Fluss hat tiefe Täler in den Fels gegraben und nach jeder Haarnadelkurve müssen wir Bilder machen (also kommen wir auch hier nicht sehr schnell voran) Wir sind eh hoffnungslos hinter dem Zeitplan und wer will sich schon dauernd hetzen lassen. Wir haben ziemlich viel Geld für diese Tour bezahlt und nun sollen wir von einer Touristenfalle zur nächsten hetzen. Selbst unter normalen Umständen also wenn nichts verloren oder kaputt geht oder was auch immer können wir maximal 400 km am Tag schaffen – wir haben bloß nie das Glück, normale Umstände zu erwischen.

Am Abend findet Martina einen super Platz zum Zelten – hinter einer Straßenmeisterei ist eine große Wiese, ein Parkplatz und sogar eine öffentliche Toilette (man muss sich hier zwar etwas überwinden, aber besser als auf die Wiese gehockt ist es allemal). Die Stehklos hier in China sind eine Klasse für sich und gar machen Morgen wenn ich mich mit meiner Arthrose aus dem Bett oder Schlafsack gequält habe frage ich mich, wie die ganzen alten Chinesen klarkommen, wobei ich allerdings gestehen muss, das die Menschen in diesem Land bis ins hohe Alter (wenn sie es denn erreichen) sehr gelenkig zu sein scheinen. Für uns allerdings sind die Stehklos zwar nichts Neues mehr, sie waren seit der Ukraine überall zu finden, aber die Rinnen, mit den Haufen drin, die ab und an mal mit einem Schlauch oder Eimer durchgespült werden sind dann doch noch mal eine andere Geschichte.

Wir sind nun in der Provinz Sechuan – Kevin freut sich schon recht lange darauf, ist doch diese Ecke bekannt für ihr extra scharfes Essen – der Ruf ist nicht unbegründet – es ist zwar sehr schmackhaft, aber manchmal brennt es mindestens 3 mal, schraubt den Blutdruck in schwindelnde Höhen und zumindest bei mir sorgt es dafür, dass meine Verdauung so angeregt ist, das mir egal ist, wie die Toiletten aussehen .  

Wir schrauben uns auf und ab durch  Gebirge und kleine Dörfer. Man trocknet den Mais hier nicht auf der Straße, wie vorher überall, sondern bündelt die Kolben in wunderschöne längliche Trauben, die unterm Dach entlang des Hauses aufgehängt werden. Ich mache mir so meine Gedanken, wieso hier eigentlich so viel Mais angebaut wird, man bekommt eigentlich sehr selten irgendwelche Nahrung, die Mais oder Maismehl enthält (dafür aber viele Weizenmehlspeisen währen ich nicht einmal in den ganzen 33 Tagen ein Weizenfeld angebaut sehe). Meine Erklärung (die allerdings nicht unbedingt stimmen muss) ist, dass der Mais wohl überwiegend als Tierfutter gebraucht wird. Dies macht insofern Sinn, als wir extrem selten ein Fleckchen Erde sehen, das nicht für den landwirtschaftlichen Anbau von Nahrungsmitteln genutzt wird. Die Maisfelder schrauben sich in Terrassen die Berghänge hoch bis wirklich nichts mehr geht und was übrig bleibt, ist sicher nicht genug, um die Nutztiere für ein so großes Volk zu ernähren.

Wieder einmal endet ein Tag im Chaos. Nachdem wir hier so viel Spaß hatten halten wir abends um zu beratschlagen, ob wir campen oder ein Hotel suchen. Johan verschwindet in einem Maisfeld, weil die scharfe Kost ihm keine Wahl lässt, Martina und wir fahren weiter in der Hoffnung, eine geeignete Wiese zu finden, da es nicht mehr allzu lang dauert, bis es dunkel wird. Nach 15 Km halten wir an, um auf die Anderen zu warten, da kommt Johan auch schon angeschossen – er fragt nach seiner Motorradjacke, die er in seiner Eile hinten auf unsere Küchenbox geworfen hat, ohne dass wir etwas davon mitbekommen haben und die jetzt natürlich nicht mehr dort liegt. Die gesamte Truppe grast jeden Meter der gefahrenen Strecke ab, aber die Jacke bleibt unauffindbar und was noch schlimmer ist, Johans Pass, Geldbeutel und I-Phone waren darin. Wir befragen mithilfe von Frank jeden, den wir unterwegs treffen, aber zum Schluss müssen wir dann doch die Polizei einschalten, damit der Verlust des Passes aktenkundig wird. Während Johan und Frank stundenlang mit der Polizei unterwegs sind sitzt der Rest der Truppe im mittlerweile strömenden Regen unter dem Dach eines Bauernhauses und die netten Bewohner füllen uns mit heißem Tee ab und nutzen die Gunst der Stunde, um sich die Fremden mit ihren Wahsinnsmaschinen  näher zu betrachten. Wir fühlen uns und total bescheiden, aber wir wussten nun wahrhaftig nichts davon, dass die Jacke auf unserem Motorrad lag – jeder brütet über hätte, wäre, wenn aber es nutzt ja nichts. Als wir schon fast auf unseren Schemeln einschlafen kommen die Beiden zurück und wir suchen uns das nächste Hotel.

Meine Güte, hört denn das nie auf? So langsam frage ich mich ob und wie wir jemals nach Laos kommen und wünsche mir immer mal wieder, wir wären schon da.

Am nächsten Tag haben wir dann doch unsere Schwierigkeiten, die Landschaft zu genießen. Frank  telefoniert mit seinem Boss, der ständig irgendwo unterwegs zu sein scheint und am Ende sieht es so aus, als ob Johan zurück nach Beijing fliegen muss, um dort einen neuen Pass und Visum zu beantragen. Micha erklärt sich bereit, dass Motorrad zu fahren (wie gut, dass er ein geübter Motorradfahrer ist) bis Johan wieder zu uns stoßen wird – dann muss er sich auch wenigstens für diese Zeit nicht mit Frank darum streiten, wer wann Vorne sitzen darf was bisher auch immer so ein Thema war.

Wir schaffen es auch heute nicht bis Chengdu und kurz bevor wir unser Ziel für den Tag erreichen und natürlich auf einem kurvigen Gebirgspass bricht plötzlich unsere Ersatzfeder aus UlaanBataar am Gaszug wieder und mit jaulendem Motor halten wir schließlich auf einem Parkpatz – denn so können wir nicht weiterfahren.

Zum Glück haben wir damals mehrere Federn aus der Tonne gefischt und schleppen sie seitdem mit uns herum, aber wir müssen natürlich alles abladen, damit wir in der hinteren Box an unser Werkzeug kommen und es dauert eine Weile, bis alles soweit auseinander gefriemelt ist und dann ist es eine Fummelarbeit, bis die Feder genau die richtige Länge und Biegung hat und wieder eingebaut ist. Zwischendrin fragt Frank immer wieder, wie lange es denn noch dauern wird und ob wir bald weiter fahren können – bis mir irgendwann der Kragen platzt – es hat sich so viel angestaut, dass ich ihn anbrülle und frage, ob er eigentlich denkt, wir machen das alles aus Spaß an der Freude – Mann der muss doch auch hören, dass dieses Motorengejaule weder normal noch erwünscht Ist!!

Nach einer Weile schurrt sie wieder und die letzten 30 Km sind kein Problem mehr. Frank organisiert uns Zimmer im angeblich besten Hotel der Stadt und ich muss zugeben, dass der Laden schon schwer nobel ist – und sogar ein sauberes Bad mit Sitzklo gibt es hier.

So langsam haben wir doch jetzt bestimmt genügend Pech gehabt : Lichtmaschine, Radlager im Beiwagen, noch mal Lichtmaschine oder zumindest Elektrik und Kurzschluss irgendwo und dann noch mal die Rückholfeder vom Gaszug und wir waren auch jedes mal in irgendeiner Form beteiligt, wenn was von Johan weggekommen ist  – Chaostours schlägt zu.

Am nächsten Tag schaffen wir endlich die restlichen  180 km bis Chengdu, wo wir zum Panda Research Center wollen. Es ist neblig und die Strecke ist bis auf ein paar Baustellen überwiegend mehrspurig und wir werden auch nur in 2 Städten etwas aufgehalten. Frank unser Guide schickt uns nur ein- zwei  mal in die falsche Richtung aber nichts Dramatisches, ein paar kurze Stopps  zum Tanken und einmal weil ein Kettenschutz verbogen ist und dann noch mal, weil es anfängt zu regnen damit alle ihre Ganzkörperkondome überstreifen  können und schon sind wir da., allerdings sind wir triefendnass  als wir am Panda Center ankommen, also suchen wir erst mal ein Hotel – das ist 200 m weiter und kostet gerade mal 68 Yuan pro Zimmer, also ca 10 $. Das ist schon schwer günstig, die Zimmer sind einfach, aber in der Eingangshalle gibt es Wlan und da ich erst gestern im Nobelhotel geduscht habe brauche ich das zugegebenermaßen etwas versüffte Bad nur zum Stehpinkeln. Wir schmeißen uns in trockene Klamotten und tribsen gemeinsam mit Johan zum Panda Park. Der ist schon toll aber ich glaube den Chinesen nicht so recht, dass keine einzige Pandamutter in der Lage sein soll, ihre Jungen großzuziehen und sie deshalb (besucherfreundlich) in Aufzuchtstationen von Menschen hinter Fensterscheiben gepäppelt und versorgt werden müssen. Die possierlichen Bären sind aber auch echt zu knuffig – da werden selbst bärtige Biker weich.

 Als wir abends zum  Essen gehen wollen habe ich ein Schlüsselerlebnis, das ich einfach erzählen muss, auch wenn dieser Blog schon wieder droht, aus den Fugen zu geraten.  Ich bin auf dem Weg zum Treppenhaus, als mir im Flur ein junges  chinesisches Pärchen entgegen kommt. Beide sehr elegant und modisch ausstaffiert, sie mit manikürten langen Nägeln und Make-up also alles in allem sehr westlich und modern. Ich erreiche das Treppenhaus zuerst und gehe vor den Beiden her da höre ich hinter mir ein Geräusch, das nach 2 Wochen in China schon fast normal geworden ist : da wird alles an Schleim aus den tiefsten Tiefen der Lunge gezogen in einer Lautstärke, die einem Hafenarbeiter zur Ehre gereichen würde. Jeder, der China über längere Zeit kennt warnt davor, behauptet aber gleichzeitig, es sei schon viel besser geworden und bei den jüngeren Chinesen geradezu selten aber dies hat mich jetzt geschockt. Ich drehe mich um damit ich den jungen Mann strafend anschauen kann, da spuckt doch tatsächlich die junge Dame in die Ecke! Abgesehen von einer Kneipe, wo die Männer auf Plastikstreifen unter dem Tisch rotzten hat mich diese Angewohnheit nicht mehr so aus der Bahn geworfen!

Im Restaurant nebenan wollen wir etwas essen, die Leute sind schwer bemüht und wirklich nett, aber das Bestellen ist immer ein bisschen Russisch Roulette. Das Witzigste ist jedoch, eine Unterhaltung zu versuchen und so glänze ich mit meinen 3 Brocken chinesisch und erkläre den staunenden Restaurantbesitzern, wer aus welchem Land kommt. Nun ist es ein Zufall, das sowohl Martina als auch ich beide einen Nasenstecker tragen und so zeigt eine Chinesin auf uns beide und tippt sich dann an ihre Nase und fragt : Deguo ren?  Ich stimme ihr zu, aber dafür, hier nun auch noch zu erklären, dass:“ ja wir sind beide Deutsche aber der Nasenstecker ist Zufall“, reicht mein Chinesisch dann doch nicht – also gibt es nun in Chengdu eine Handvoll Chinesen, die das Gerücht verbreiten werden, dass man deutsche Frauen am Nasenstecker erkennt.

Am nächsten Tag fliegt Johan nach Beijing, um seine Papiere zu besorgen und wir machen uns wieder auf den Weg es geht weiterhin durch Gebirge, aber so langsam aber sicher werden die Berge immer höher und die Aussichten sind nicht zu beschreiben. Abgesehen davon, das am Toyota mal ein Reifen platzt, was kein großes Drama ist, da am Auto genügend Ersatzräder transportiert werden so dass dank der Tatsache, dass alle Männer mit anpacken der Schaden schnell behoben ist. Die Straßen sind hier zum Teil recht abenteuerlich. Ich erinnere mich daran, das ich Anfang des Jahres von schweren Erdbeben in dieser Region gehört habe und die Art der Schäden scheint von diesem Ereignis zu stammen – immer wieder sind Teile der Straße herausgebrochen und nach unten gestürzt, an manchen Ecken hat sich der Belag nach oben geschoben, während an anderen der Teer wie ein Spinnennetz ausschaut, wo die Mitte nach unten gesunken ist. In dieser Gegend leben die verschiedensten ethnischen Minderheiten, zu erkennen an den unterschiedlichen Kopfbedeckungen der Frauen. Immer wenn wir irgendwo anhalten werden wir von Menschentrauben umringt und wir haben die Gelegenheit die teilweise sehr schönen und farbenfrohen Kostüme zu bewundern. Frank verscherzt es sich mal wieder mehr bei uns ob seiner Bemerkungen, dass Hanchinesen mit diesen Leuten nicht reden, weil sie schmutzig seien (er ist natürlich Hanchinese) und: “Nein Frank, die Leute sind arm – nicht schmutzig!“ Darüber hinaus sind sie außerdem sehr freundlich. Wir halten in einem Dorf und haben Glück, hier findet gerade ein Markt statt und so lassen wir den Guide im Auto sitzen und tauchen in das faszinierende Marktgetümmel ein.  Da werden die kuriosesten Gebilde in heißem Fett gebraten oder gegrillt, lebende Hühner kopfüber an eine Handwage gehängt und verkauft, zu ersten Mal sehen wir die geflochtenen Taschen, in denen Ferkel verkauft und auf dem Gepäckträger heimtransportiert werden. Wir alle kosten die exotischen Speisen und die Kameras laufen heiß.

Unser nächstes Ziel ist der Lugu See. Laut Frank lebt hier in eine ethnische Minderheit, die matriarchalisch ausgerichtet ist – hier haben also die Frauen die Hosen an! Angeblich kommen die Frauen nachts zu den Männern, die ihnen gefallen die müssen nur die Tür auflassen und geheiratet wird nicht. Da unsere Männer fast alle vergeben sind bekommen wir für diese Tradition keinen Beweis, dafür müssen wir den stolzen Preis von 80 Yuan pro Person zahlen, um überhaupt an den See fahren zu dürfen. Es hat sich allerdings gelohnt, wirklich wieder eine malerische Umgebung.

So langsam kommen wir in Richtung  des tibetanischen Grenzgebirges und klettern auf Pässen in Richtung Lijian. Wir haben mittlerweile von Paul das Angebot bekommen, unseren Aufenthalt zu verlängern – 4 Tage würden uns zusätzlich 800 Yuan kosten, also 100 € durch 9 Personen geteilt. Wir diskutieren und gelangen schließlich zu einer Mehrheitsentscheidung, dass wir dieses Angebot annehmen werden. Von Lijiang sind es noch 1500 Km bis Laos und wir haben einfach keine Lust mehr auf das Gehetze, außerdem sind wir nun in Yunnan – der laut Lonely Planet schönsten Provinz in China! Lijian liegt auf 2400 m Meereshöhe auf einem Plateau, von dem aus man schon den schneebedeckten Gipfel des Weißen Berges sehen kann und hier beginnen die Vorgebirge des Himalaya so richtig.

Nachdem wir in den letzten Tagen viel gefahren sind haben wir hier einen der seltenen Tage, in denen wir ausspannen , uns unsere Zeit selbst einteilen und Besichtigungen machen können. Wir bereisen China im Schnelldurchgang und genießen es, ausnahmsweise mal auszuschlafen, aber das Bett ist so hart, das ich schon früh wach und total steif bin und das, obwohl ich mir noch eine weiche Decke unter meine Reisematte gelegt habe. Kevin und ich haben beschlossen, dass wir diesen Tag für uns haben wollen. Wir sind jetzt schon über 3 Wochen mit der Reisegruppe unterwegs, was wir normalerweise weder gewohnt sind noch mögen und so benötigen einfach mal etwas Zeit ohne die Anderen.

 Wir kochen uns einen Kaffee und bummeln rum, bis all unsere Mitreisenden in der Stadt verschwunden sind und packen dann erst mal unser Zelt aus, das unbedingt bei dem schönen Wetter mal austrocknen muss, sonst haben wir zu den Löchern aus Kasachstan auch noch Stockflecken dazu.  Das  Außenzelt breiten wir über die Motorräder aus, die im Hotelinnenhof geparkt sind und das Innenzelt stellen wir einfach für eine Weile vorm Hotel auf, es dauert nicht lange, dann ist es tatsächlich trocken und wir packen es wieder weg. Wir machen uns ebenfalls auf, die Altstadt zu erkunden – sie ist sehr gro0 und bei dem Touristengewimmel hier ist die Chance, dass wir einen oder mehrere unserer Mitreisenden treffen sehr gering. Lijian gehört zu den UNESCO Weltkulturerbe Stätten und wird vor allem von chinesischen Touristen stark frequentiert allerdings sehen wir hier seit langem auch mal wieder einige Langnasen.  Die Stadt wird von einigen Reiseführern das chinesische Venedig genannt, was leicht übertrieben erscheint aber es gibt schon jede Menge kleine Kanäle überall in der Stadt und obwohl man hier immer wieder mit den Folgen von Erdbeben zu kämpfen hat, ist alles wie aus dem Bilderbuch – man könnte schon sagen etwas kitschig.

Die Altstadt platzt vor Touristen schon aus den Nähten -  ein Laden am nächsten und die meisten verkaufen das Gleiche allerdings merkt man an den Preisen schon, das dies nicht einfach nur eine schöne Altstadt ist. Es gibt überall malerische Ecken und so schlendern wir umher und genießen einfach nur die Eindrücke. Wir wandern durch viele kleine Gassen und versuchen immer mal wieder eine Ecke zu finden, wo nicht so viele Leute unterwegs sind. Wir kaufen ein paar Kleinigkeiten und ich lerne so langsam zu Handeln – so kaufe ich mir z.B. eine Hose und  mithilfe eines Taschenrechners, auf dem mir die Verkäuferin einen Preis eintippt, den ich lösche und erst mal die Hälfte anbiete indem ich die Zahl tippe – dann sie wieder, dann ich bis wir uns schließlich auf 100 Yuan einigen (ca. 12,50 €). Ein paar mal kommen Menschen in traditioneller Tracht und bieten gegen Bezahlung an, sich fotografieren zu lassen.

Später schauen wir noch einer Truppe Frauen, die in den verschiedenen Trachten der hiesigen Provinz – Yunnan – gekleidet sind zu, wie sie auf dem Marktplatz zusammen mit Touristen tanzen und nutzen die Gelegenheit, ein paar Bilder zu machen und uns in Ruhe die chinesischen Touristen zu betrachten – ist schon witzig – die jungen Leute sind sehr westlich angezogen und gestylt, aber im Großen und Ganzen ist hier Mode, was dem Einzelnen gefällt.

Am nächsten Morgen fahren wir schon früh los, wir haben uns vorgenommen, ein paar der hohen Pässe zu fahren  bevor wir uns auf den Weg zur Grenze machen. Als erstes geht es in die Tiger-Sprung-Schlucht. Der Yangtse hat hier ein tiefes Tal ins Gebirge gegraben und es schießen riesige Wassermassen an uns vorbei (nachdem wir die ganzen 591 Stufen hinuntergeklettert sind) – ein weiteres unvergessliches Erlebnis. Wir haben mittlerweile beschlossen, Frank und sein Navi zu ignorieren, und uns unsere Routen selbst auszusuchen – besonders Jameses Gerät schein gute Routen zu finden.  Wir erklimmen einen Pass von 3700 m und schlagen unser Camp auf 3200 m auf einer Kuhweide auf – unser Guide hat hier so seine Probleme, er hat Angst vor den neugierigen Kühen, die immer näher kommen um zu sehen, was das nun für komische Gebilde auf ihrer Wiese sind und ob man die wohl essen kann. Unser nächstes Ziel ist Shangri la eine Stadt, die vor einigen Jahren noch Zhongdian hieß. Man hat gehofft, mit der Namensänderung zu dieser  Fabelstadt den Tourismus anzukurbeln und vielleicht sogar Lijian den Rang abzulaufen, dies hat aber nur zum Teil funktioniert. Während man in Lijian sehr viele chinesische Touristen hat, sind hier fast nur Ausländer zu sehen. Alle Backpacker, die nicht bis Tibet kommen können und alle anderen westlichen Touristen, die nach Kunming geflogen sind und wir natürlich. Mir gefällt es hier bedeutend besser, als in Lijiam und das Ganze hat definitiv viel tibetisches Flair aber das Umherwandern ist in der Höhe wirklich anstrengend, man ist sehr schnell außer Puste.

Von hier aus haben wir uns entgegen den  Vorstellungen unseres Guides dazu entschlossen, eine andere Route zurück zu fahren. Wir haben eine kleine Nebenstrecke gefunden, die sich entlang des oberen Yangtse windet, der hier allerdings noch einen anderen Namen hat : Fluss des goldenen Sandes. Wir knipsen was das Zeug hält, aber man kann die Größe und Dramatik dieser Landschaft einfach nicht einfangen. Wir finden einen wirklich malerischen Platz für unser Nachtlager direkt am Fluss und Martina und ich machen uns einen Spaß daraus, mit dem Gespann ins nächste Dorf zu fahren, wo  wir versuchen wollen etwas Fleischiges, einen Karton Bier und ein paar Zigaretten zu finden. Zum Grillen finden wir nichts, es gibt ein paar süße Teilchen und Instantnudeln, Chips und  Zeug, das wir nicht definieren können und so bleibt uns nur ein Karton Bier und eine Stange Zigaretten – dies alles haben wir mit Hilfe meine kleinen chinesischen Wörterbuches geklärt und auf dem Rückweg bekichern wir uns über die Gesichter der Männer in dem kleinen Laden und was die wohl nun aus den 2 Frauen machen, die mit diesem großen Gefährt vorfahren und dann nur große Mengen Rauch- und Trinkwaren kaufen.

Auf kleinen  schlängeligen Nebenstrecken entgegen den Ratschlägen unseres Guides machen wir uns  auf unseren Weg zurück in Richtung Dali und dann zur Grenze.  Wir besuchen einen  Naturpark und bleiben einfach über Nacht und schlagen im Dickicht unsere Zelte auf und stromern durch sämtliche Gassen eines Ortes am Tea-Pferd-Pfad. (Hier tauschten die Chinesen Tee gegen die robusten tibetischen Pferde für ihre Kavallerie) und das alles gegen Franks ausdrückliche Warnungen, dass es hier nichts zu sehen gibt und er behält nicht einmal recht – zu seiner Ehre muss ich aber wohl erwähnen, das er sich dafür bei uns bedankt hat, weil er niemals von der Hauptstraße weggewandert ist, um zu schauen, ob es hier wohl mehr zu sehen gibt. Die Kluft zwischen uns und unserem Guide wird immer größer und ich denke mittlerweile sind sowohl er  als auch wir froh, wenn wir uns bald voneinander verabschieden können.

Das letzte Stück vor Dali fahren wir durch ein Seitental  in dem die Reisernte im vollen Gang ist und wieder einmal staune ich, dass die große Mehrheit in diesem Land, das auf der einen Seite so fortschrittlich ist, mit solchen primitiven Methoden gearbeitet wird, aber Maschinen sind hier teuer, Hände für die Arbeit aber im Überfluss vorhanden und wesentlich billiger. Da werden Hochhäuser mit klapperigen Bambusgerüsten errichtet. Die Bauarbeiter ziehen Eimer mit Mörtel an einem Seil nach oben,  oder reißen ein Haus mit dem Vorschlaghammer ab. In jeder Stadt gibt es Straßenfeger, die mit einem Besen den Dreck hin und herschieben, das Meiste an Feldarbeit wird mit der Hacke erledigt und bei der Reisernte war die grüßte Technische Errungenschaft ein Gestell aus Metall, in die kopfüber die Reisbündel gesteckt und dann mit einem Fußhebel ausgeklopft werden. In 6100 Km habe ich einmal einen Minimähdrescher gesehen. Allerdings sind wir überwiegend durchs Gebirge gefahren und sämtliche Felder waren in überwiegend dünnen Terrassen angelegt, da käme größere Maschinerie nicht durch.

Dali platzt vor Touristen aus den Nähten und wir haben keine Lust, uns ins Gewühl zu stürzen. So fahren wir auch hier am nächsten Tag gleich wieder weg und nutzen die Zeit lieber, um pünktlich an der Grenze zu sein.

Die Landschaft wird hier tropischer und immer öfter kommen wir an Bananen- und Teeplantagen vorbei und außerdem gibt es hier riesige Kautschuk Wälder Wir halten am Rand eines Dorfes und schlagen unsere Zelte auf einer großen Wiese auf. Die Bewohner haben ganz offensichtlich noch nie einen Ausländer gesehen und in Windeseille läuft das ganze Dorf herbei um die Attraktion zu bestaunen. Sofort ist jedes Fahrzeug und jedes Zelt umringt und ich habe einen Halbkreis von Frauen und Kindern vor mir versammelt, die kichernd zuschauen, wie ich unsere Matten aufpumpe. Ich bin es zwar mittlerweile gewöhnt, angestarrt zu werden und kann es meistens einfach hinnehmen, aber das hier ist dann doch unangenehm. Immer wieder schaue ich hoch und grinse alle an während ich auf die Matten zeige eine Schlafandeutung mache, was dann alle wieder ganz lustig finden. Die Kinder pieksen immer mal wieder in die Matten und ich kann ihnen an der Nasenspitze ansehen, dass sie am liebsten mal drauf rumhopsen würden, aber das will ich dann doch nicht – nachdem ich fertig bin machen ich schnell die Tür zu. Dafür klettern die Kinder natürlich auf unserer Liza rum und erst, als ich erschreckt quietsche, weil Eines natürlich die Kupplung gezogen hat und das Gespann anfängt zu rollen – scheucht sie jemand runter. Wir haben unterwegs Fleisch gekauft und wieder habe ich Publikum während ich das Fleisch in Scheiben schneide und würze. Die Dorfbewohner bringen uns Feuerholz zum Grillen und dann bringt noch einer eine Tüte voller lebender Fische für unser Abendbrot, die ich dann auch noch abmurksen und ausnehmen muss – sie schmecken lecker. Die Dorfbewohner gehen dann auch irgendwann als es zu dunkel wird nach Hause und wir sind recht froh, dass wir jetzt nicht mehr angestarrt werden.

Von hier bis zur Grenze sollte eigentlich nur ein Katzensprung sein, aber wieder schlägt das Pech zu. Jameses Motorrad bleibt stehen und macht keinen Mucks mehr. Wir verbringen Stunden damit, erst den Fehler zu suchen, dann eine Werkstatt und dann eine Möglichkeit, das Gefährt zur Grenze zu transportieren und dank dieser Aktion brauchen wir dann doch noch 1 ½ Tage, bis wir Mohan endlich erreicht haben. Wir nutzen noch mal das hiesige Internet, um die Daheimgebliebenen auf dem Laufenden zu halten, man weis ja nicht so recht, wie das in Laos werden wird, gönnen uns noch einmal ein köstliches chinesisches Mahl, finden mit viel fragen mit Händen und Füßen  einen Automaten für Passbilder, die wir fürs Laos Visum brauchen werden und trinken unser letztes Tsingtao und freuen uns auf eine wohlverdiente Ruhepause in Laos.  Es ist der 6. Oktober, wir sind seit  dreieinhalb Monaten unterwegs und haben 24500 Kilometer zurückgelegt und sind kurz davor, zum 9. Mal eine Grenze zu überqueren und wir sind bereit für ……. Ruhe!

Am nächsten Morgen schieben wir James mit dem Beiwagen über die Grenze und unser Abschied von Frank verläuft recht kühl und kurz.

China war ein unglaubliches Erlebnis, das ebensoviele Vorurteile bestätig wie als falsch bewiesen hat.

Gerne würden wir dieses Land mehr bereisen, aber nicht so: nicht mit einer Gruppe und nicht mit einem zu knappen Zeitplan, der uns recht wenig Gelegenheit dafür ließ, die Menschen besser kennenzulernen und schon gar nicht mit einem Touristensitter!