Russland die Zeite - willkommen im Land der Motorradfahrer

Russland ist für uns das Land der Motorradfahrer. Schon in Volgograd waren wir vom Motorradclub aufgenommen worden, bei der zweiten Einreise nach Russland sollte es uns nicht anders ergehen.

Wir haben einen Grenzübertritt, der mal wieder recht problemlos von statten geht  Das Schlimmste an der Grenze ist die Warterei vor der Grenze, es gibt zwei Schlangen mit sowohl LKWs als auch alles Andere an Fahrzeugen. Wir reihen uns ein und stehen in der brütenden Sonne. Immer wieder fahren Autos an der Schlange vorbei und das nervt, weil sich für uns nicht tut. Aus dem Auto vor uns steigen haufenweise Leute aus und wandern nach Vorne. Plötzlich fahren die Autos weiter und der vor uns bleibt stehen. Kurzentschlossen zieht Kevin an dem Fahrzeug vorbei und prompt gibt es Ärger – wir hatten gedacht, der Fahrer wäre auch ausgestiegen und weg gegangen – falsch, er hatte nur keine Veranlassung gesehen, die Lücke gleich zu schließen und ist nun völlig empört über unsere Frechheit. Wir versuchen die Wogen zu glätten und ihm anzudeuten, dass er beim nächsten mal einfach wieder vor uns fahren soll, aber er ist weiterhin eingeschnappt .Ich beschließe, auch einmal nachzuschauen, was hier so lange dauert.  Ich stelle fest, am Anfang ist nicht Gott sondern ein russischer Zöllner mit Schlagbaum. Er lässt immer mal wieder nach einem mir nicht ersichtlichen System ein paar Fahrzeuge durch und dann kommt Leben in die Schlange und jeder rückt schnellstmöglich auf. Ich betrachte mir dies eine Weile, kaufe dann 2 Flaschen eiskaltes Wasser und schlendere zurück zu Kevin. Der hat den erzürnten Russen wieder vorgelassen und nun  haben sich die Wogen wieder  geglättet – er ist umringt von den restlichen Fahrzeuginsassen und kaut mit ihnen Sonnenblumenkerne. Der muffige Fahrer stellt sich als Verkehrspolizist aus Moskau vor und schenkt Kevin sogar sein Polizistenabzeichen.  Wir verteilen Visitenkärtchen und die Tochter findet unsere Webseite auch gleich auf ihrem Smartphone.

 Irgendwann ist die Warterei vorbei und auch wir schaffen es auf die andere Seite des Schlagbaumes. Wir dürfen unsere Liza im Schatten parken und jemand deutet uns, wo wir mit unseren Pässen hin müssen. Der Mann an der Passkontrolle konnte es nicht fassen, dass wir so weit gefahren sind und nun durch Sibirien reisen wollen, ohne ein Wort Russisch sprechen zu können und lacht sich über uns kaputt, stempelt kichernd das Einreiseformular und schickt uns zum Zoll – dort schaut man sich neugierig unser Motorrad an, fragt nach der Größe des Tanks und anderen technischen Dingen – der Inhalt der Taschen und Koffer interessiert aber keinen uns so bekommen wir ein freundliches Winken und schwupps – sind wir wieder in Russland.

Wir haben uns vorgenommen, unser kasachisches Geld gleich an der Grenze zu tauschen und zum ersten Mal finden wir weder einen Straßentauscher noch eine andere Stelle um unser Vorhaben in die Tat umzusetzen. Während wir also so überlegen, was wir jetzt machen, hält neben uns ein Auto und eine hübsche junge Russin rennt auf uns zu. Sie spricht sehr gutes Englisch und erklärt, sie komme aus Krasnoyarsk und wenn wir in Richtung Baikal wollen, und dort vorbeikommen, sollen wir unbedingt bei ihr anrufen. Sie bekommt mein Visitenkärtchen und ich die Handynummer, noch ein paar Erinnerungsphotos und dann fährt sie davon.

Wir brauchen 2 Tage bis Krasnojarsk und verheddern uns immer wieder in russischen Großstädten, wo die Beschilderung so gut wie nicht existent ist. Die Russen sind zwar wesentlich reservierter als die Kasachen, aber auch hier sind alle, die wir mit Händen und Füssen ansprechen sehr hilfsbereit und freundlich. Die Landschaft ändert sich hier schnell und es gibt wieder Hügel und natürlich die berühmten sibirischen Birkenwälder. Und Monstermücken!!!!

Einmal enden wir im Wald auf der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz und finden sogar eine gemähte Lichtung. Als wir allerdings anhalten stürzen sich die Mistviecher gleich in Wolken auf uns. Wir ziehen gar nicht erst Motorradkleidung, Handschuhe und Helme aus sondern bauen unser Zelt in voller Montur auf – trotzdem finden die blutrünstigen Sauger noch Stellen, wo sie zustechen können und so brummeln wir hektisch alles zurecht und verschwinden so schnell wir können im Zelt – gibt’s halt mal Tomatenbrot zu essen und wir gehen gleich ins Bett.  Morgens summen die Mücken noch immer oder schon wieder um uns herum. Wieder ziehen wir die gesamte Montur an und haben unser Zelt in Rekordzeit abgebaut und verstaut – Waschen und Zähneputzen fällt heute aus – nix wie weg hier!!

Als wir kurz vorm Ziel sind wähle ich die Nummer, die mir Leesha gegeben hat. Ich habe noch 35,- € Guthaben. Als abgenommen wird lege ich gleich mit meiner Erklärung, wer ich bin und was ich will auf englisch los und nach einer Weile fragt mich die völlig verdatterte Stimme einer älteren Dame auf deutsch:“ Wer ist denn da?“ Es dauert ein paar Momente, bis ich kapiere, das ich wohl falsch verbunden bin und ich frage mich warum. Also kläre ich erst einmal in welchem Land sich die Dame denn befindet um der genauso verdutzten Frau sagen, das ich nicht nur mit der falschen Person sondern auch mit dem falschen Land verbunden bin. Nachdem ich aufgelegt habe sind noch ca 10,- € Guthaben übrig. Mittels anderer Telefonnummern, die ich unterwegs gesammelt habe finde ich die Ländervorwahl für Russland heraus und versuche es noch einmal. Diesmal klappt alles wie gewollt und ich kläre mit Leesha, das ich mich wieder melde, wenn wir in Krasnojarsk sind. Nun ist alles einfach – wir halten am Stadtschild und warten hier bis sie uns findet.

Zuerst geht es in die Stadtmitte, wir gehen was essen und treffen eine ganze Menge Biker mit ihren Freundinnen, die alle zu den Frozen Souls, einem der hiesigen Motorradclubs gehören. Man sucht ein Hostel für uns, bringt uns hin und alle fassen mit an um unser Gepäck in den 4. Stock ins Hostel zu bringen. Von außen und auf uns allein gestellt hätten wir dieses definitiv nicht gefunden. Es handelt sich um ein auf den ersten Blick recht heruntergekommenes Mietshaus, und das Hostel belegt hier eine Seite der 4. Etage – von außen durch ein Banner von Fenster zu Fenster mit Xocteb gekennzeichnet. Bis dato haben wir nichts bezahlen dürfen und auch die erste Nacht fürs Hostel übernimmt Leesha trotz meiner Proteste – mit der Begründung, das wir nicht bei einem der Biker übernachten können und außerdem seien wir auf Tour, da seien sie praktisch verpflichtet, sich um uns zu kümmern. Von nun an werden von den Bikern unter die Fittiche genommen. Wir bleiben 4 Tage, und übernachten ab dem 2 Tag bei Denis, der auch den Motopoint, die Stammkneipe der Frozen Souls  führt. Denis bringt uns zu seiner Datscha, wo wir eine echte Banja kennenlernen und russisches Schaschlik  brutzeln. Wir haben sogar Schwierigkeiten, mal einen auszugeben, weil man uns nichts bezahlen lassen will. Wir machen Ausflüge ins Umland und zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt : Krasnojarsk ist die 3 größte Stadt Sibiriens und ist auf der russischen 10 Rubelnote verewigt, mit der Brücke über den Jennissey, der kleinen Kapelle auf dem Berg und dem großen Stausee , der in der Nähe der Stadt liegt – all dies schauen wir uns zusammen mit Ilia, Anna und dem Musicman (so nennen wir ihn, weil er sein Moped mit einer Wahnsinnsanlage ausgestattet hat, die immer laute Rockmusic spielt und überall in der Stadt für Aufsehen sorgt) sorry Frozen Souls, aber ihr wart soo viele und wir sind echt schlecht im Namen erinnern!  Wir werden vom Fernsehen interviewt, das hat Max organisiert und Ilia hilft als Übersetzer, während der Musicman den Kameramann herumfährt, wir bekommen Hilfe bei den nötigen Wartungsarbeiten am Motorrad und Kontakte für den weiteren Weg. Man hat unter Schwierigkeiten eine Bank ausfindig gemacht, bei der wir unser kasachisches Geld wechseln können, uns mit leckerer russischer Pizza gefüttert, wir haben jede Menge Geschenke bekommen und Kevin einen Crashkurs im Schlagzeug spielen, ich nutze die Wlanverbindung im Motopoint, um die Webseite auf den neuesten Stand zu bringen und alles Mögliche zu klären…. . Hätten wir nicht schon so viele Geschichten vom sibirischen Winter gehört, wären wir vielleicht jetzt noch dort – wir mussten uns so schon loseisen.

In Irkutzk werden wir wieder von einem Motorradfahrer eingesammelt während wir vorm Stadtschild anhalten, um einen Plan zu machen, wie wir hier den Club finden, der uns aufnehmen soll. Wir werden zu seinem Club begleitet und dann ratz fatz dort untergebracht – wir machen einen Öl- und Bremsbelagwechsel und nutzen den Tag ansonsten zum Ausruhen.

Am nächsten Tag geht es aber weiter an den Baikalsee. Es regnet in Strömen und wir erreichen den See ziemlich pitschnass (meine Motorradjacke schließt schon nicht mehr) und verfroren. Wir sind einen bestimmt superschönen Pass gekommen, aber wie se sehn sehn se nix. Ich habe gerade endlich herausgefunden, was Hotel auf Russisch heißt und noch viel wichtiger, wie es geschrieben wird. Wir kommen den Pass runter und plötzlich in einer Kurve finden wir sowohl Räucherbuden für Qmul, als auch den ersten Blick auf den 8 größten See der Welt aber gleichzeitig der größte reine Trinkwassersee und der tiefste See ist.

Aber so irgendwie ist uns gerade nicht danach, dies zu würdigen. Wir sind auf das nächste Roctihhia oder so ähnlich wird Hotel auf Russisch geschrieben. Wir werden auch schnell fündig und breiten hier alle, was nass ist aus – wir haben in kürzester Zeit recht ansehnliche Pfützen im Zimmer aber nachdem wir uns in trockene Plünnen geschmissen haben und etwas aufgewärmt sind kommen die nächsten körperlichen Bedürfnisse zum tragen – genau der Hierarchie entsprechend verlangt nun der Magen Aufmerksamkeit und wir erinnern uns an frisch geräucherten Omul. Eine Spezialität der Gegend, Omul ist ein Lachsfisch, der ausschließlich im Baikalsee und einigen seiner Zuflüsse vorkommt und hier entsprechend gewürdigt werden soll, den der frischgeräucherte, noch warme Fisch, den wir kaufen schmeckt mit dem ebenso erworbenen frischen Brot, den Gurken und Tomaten und dem frisch in Flaschen gezapften russischen Bier ein Festmahl für uns.

Am nächsten Tag fahren wir am Ostufer entlang und haben noch nicht beschlossen, wo es weiter hingehen soll, da hält ein Motorradfahrer aus Ulan Ude bei uns und ein bisschen nach dem Webevorbild der Oma, die in weihnachtlicher Stimmung entgegen ihrem Willen über die Straße gebracht wird, landen wir nun später in Ulan Ude. Es gibt hier keinen Bike Club, also sucht der junge Mann uns ein günstiges Hotel. Wir landen im Zentrum im bisher teuersten Hotel unserer Reise und fragen uns, wie das denn passiert ist….

Am nächsten Tag fahren wir zurück zum Baikalsee, wenigstens haben wir durch den Hotelaufenthalt eine polizeiliche Registrierung für Russland bekommen, was sich später an der Grenze als Pluspunkt herausstellen soll, aber davon später mehr. Bis zu einem bestimmten Punkt in Richtung Nordostufer, einem neuen Tourismuscenter mit Jachthafen ist die Straße futsch neu und eine Rennstrecke, danach jedoch wird sie zum Knochenbrecher, Sandpiste mit dicken Steinbrocken, Wellblechrillen und Löchern durchsetzt. Wir fahren, bis wir ein Schild in Richtung Zeltplatz finden. Ein holpriger Feldweb geht immer tiefer in den Wald und am Ende steht ein alter Mann mit wenig Zähnen, der uns sagt, das dies der Grund und Boden vom General ist (welchem auch immer) und wir hier definitiv falsch sind. Ich frage, wo wir mit unserem „Palatka“ (Zelt) hinkönnen. Er deutet, ihm zu folgen und rennt wie ein 20 Jähriger auf seinem Drahtesel vor uns her – zu einer Ansammlung von Zelten, die den Campingplatz darstellen. Er ist ein recht lustiger Kerl und mit Händen und Füßen und unserem extrem limitierten russischen Wortschatz (habe ich eigentlich schon erwähnt, das mein Wörterbuch mit den wichtigsten Phrasen von Amazon so viel Nutzen hat, wie eine Handbremse an einem Kanu? – Die Wörter sind auf Deutsch und auf phonetischem Russisch geschrieben, aber nicht mit der kyrillischen Entsprechung und da ich offensichtlich trotz phonetischer Schreibweise die Worte falsch ausspreche kann ich noch nicht mal darauf zeigen, weil dies kein Russe lesen kann!) … jedenfalls erzählt der lustige Alte uns, das er einmal in 6 Wochen (oder Monaten) mit dem Fahrrad um den ganzen See gefahren ist. Wir laden ihn auf einen Wodka ein, aber er kann nicht, weil er noch für den General die Banja richten muss und der ihn sonst wegen Alkoholfahne entlässt. Mit Händen und Füßen ist das schon eine tolle Unterhaltung.

Er zieht wieder ab und wir bauen unser Zelt so ziemlich direkt am Ufer des Sees auf. Wir beschließen, 2 Nächte hier zu bleiben – wir zahlen 400 Rubel für eine Toilette, die aus einem Loch im Boden mit Plastikplanenzelt drum herum besteht  und ein paar Betonkästen für Müll, vor allem aber dafür, das jemand ein Auge auf die Sachen wirft und wir deshalb Morgen für einen Tag ohne Ballast am See herumfahren können.

Es fühlt sich an, als ob man am Meer ist, man kann das andere Ufer nicht sehen, die Wellen rollen an den Sandstrand und überall sind Möven. Wir haben sogar blauen Himmel und Sonnenschein und ich muss natürlich auch wenigsten ein paar Meter im See schwimmen und dann wasche ich auch noch unsere Wäsche (biologisch abbaubar) im tiefsten See der Welt!!

Am nächsten Tag erkunden wir die Gegend. An einem der vielen ebenfalls großen Zuflüsse warten wir stundenlang auf die Fähre und treffen einen Deutschen aus Kiel, der mit seiner russischen Freundin hergekommen ist, um Familie zu besuchen – da muss man doch mit Wodka prosten. Die Fähre ist einfach herrlich ein kleines Boot zieht ein größeres über den Fluss, das über keine Begrenzungen verfügt und so hängen die LKW, die zu groß sind einfach auf beiden Seiten über die Bordwand hinaus. Zum Andocken schwingt das kleine Bott das große herum und positioniert sich dann dahinter und drückt es mit Motorkraft an den Steg während die Fahrzeuge runter und rauf fahren …. Das Ordnungsamt hätte seine Freude.

 

Nach 3 Tagen geht es in Richtung Mongolei. Wir halten in Ulan Ude, weil uns unterwegs die Rückholfeder vom Gaszug gebrochen ist und reparieren notdürftig mit einer viel zu starken und auch zu langen Feder aus einer Autowerkstatt, aber wir können immerhin weiter.

Ulan Ude hat mir von den besuchten Städten am besten gefallen. Die Menschen werden hier asiatischer und auch der Baustil. Die Stadt hat nicht so viele Hochhäuser, ein paar buddistische Tempel und der musikalische Brunnen in der Stadtmitte hat es mir angetan.

Am nächsten Tag fahren wir an die nächste Grenze und leider geht hier nicht mehr alles glatt. Wir haben aus Versehen unser Visum überzogen, weil wir dachten die 30 Tage zählen ab Einreise – falsch! Wir müssen 230 km zurück nach Ulan Ude, dort verbringen wir das Wochenende, weil Samstag ist und kein Amt aufhat. Montag morgen sind wir bei der Visumbehörde, die schicken uns zur Migrationspolizei, wo wir sogar Fingerabdrücke abgeben müssen und am späten Abend werden wir einer Richterin vorgeführt, wo wir unser Bedauern kundtun müssen. Unsere Strafe ist 5 Jahre Einreiseverbot und je 2000 Rubel.

Schade, dass unsere schöne Zeit in Russland so ein mieses Ende gefunden hat und wir sind froh, als unser nächster Ausreiseversuch klappt