Kasachstan - das Land der Gegensätze

Kasachstan

Wir sind mal wieder an einer Grenze angelangt, wäre schön wenn wir sie auch finden könnten. Wir fragen mehrfach nach granitza Kazakhstan und werden immer wieder in eine andere Richtung geschickt. Für eine Beschilderung hat der Etat hier wohl nicht gereicht.

Wir kommen an eine Schwimmbrücke und Kevin denkt schon, es sei ein Grenzposten, aber es ist nur eine Hütte zum einkassieren von Straßenmaud. Die Grenze kommt dann aber nach ein zwei Kilometern. und ich bin schon ganz hibbelig, weil wir uns in Russland nicht ordentlich polizeilich angemeldet haben und befürchte, dass wir Ärger bekommen. Ich habe wieder falsch vermutet, man stempelt unser Formular ohne Probleme an der Grenze ab und wir  reihen uns in eine lange Schlange von Autos und LKW ein und warten in der sengenden Sonne darauf, zur Zollkontrolle weitergeleitet zu werden. Es werden  immer nur 2 bis 3 Fahrzeuge an einem Schlagbaum durchgelassen aber irgendwann ist es geschafft und der russische Zoll hat uns schnell durch gewunken. Bis zu kasachischen Grenze sind es dann noch mal ein bis zwei Kilometer. Wir versuchen bei den Anderen abzugucken, wie wir uns hier verhalten müssen. Die Fahrer müssen mit ihren Papieren zum Zoll, die Passagiere in ein Gebäude, wo sie abgefertigt werden und dann draußen wieder auf ihren Fahrer mit Fahrzeug warten.

Der Zoll ist auch hier schnell erledigt, man ist mal wieder mehr an technischen Details interessiert,  als am Inhalt von Boxen und Taschen.

Nachdem wir die Grenze passiert haben tausche ich ein wenig Geld an der Grenze, man soll ja eigentlich nicht auf der Straße tauschen, aber ich habe noch lebhaft unsere Suche nach einer Bank in der Ukraine im Kopf und möchte einfach nicht wieder so völlig mittellos dastehen also wage ich es mit 50 €. Ich bekomme 185 Tenge pro € - der korrekte Kurs wäre wie ich später herausfinde 197 Tenge aber ich fühle mich nicht so sehr über den Tisch gezogen, ist ja klar, das die Straßenhändler davon leben wollen. Es sind auch einige Frauen an der Grenze im Geldwechselgeschäft. Sie sehen aus wie wandelnde Mumien. Kev meint, das sei, weil sie den ganzen Tag hier in der sengenden Sonne stehen – komisch nur, das die Männer nicht genau so vermummt sind – auf die scheint wohl die Sonne nicht so stark?!

Bald sind wir im Land und auf der Straße in Richtung Atirau. Sie ist so schlecht wie angedroht und es gibt auch noch ein Gewitter, so dass bald die vielen Löcher voll Wasser stehen, und wir die Tiefe nicht mehr abschätzen können.  Im Slalomkurs und Schneckentempo fahren wir los.

Die Beschilderung ist so schlecht, wie die Straßen und gar oft in den 10 Tagen Kasachstan sind wir nach Gefühl gefahren – das funktioniert oft, aber nicht immer.

Die Straße in Richtung Atirau ist allerdings die einzige, die geteert ist (wenn man das so nennen kann). Das Land ist flacher als die letzte deutsche Jungfrau. Immer wieder sehen wir in der Ferne Ansammlungen von Gebäuden, die sich dann aber als moslemische Friedhöfe entpuppen, sie sind  häufiger anzutreffen als Ortschaften. Immer wieder werden wir hupend überholt und jemand streckt eine Hand mit Daumen hoch aus dem Fenster.  Ich habe Kevin gerade gefragt, warum die Straße statt mit einer Nummer mit Kamelen auf der Karte markiert ist, da sehe ich auch schon warum – unser erster Stau wird von einer Kamelherde verursacht, die gemächlich von einer Seite auf die andere wechselt.

Wir fahren bis es fast dunkel ist und bauen unser Lager hinter einem Sandhaufen  gerade weit genug von der Straße entfernt, das nicht einer der Irren, die hier entlang heizen und öfter mal durch ein Schlagloch vom Weg katapultiert werden auf uns fallen kann. Schnell fällt die Mückenplage über uns her und so sind wir dann auch gleich im schützenden Zelt verschwunden. Mitten in der Nacht werde ich wach, weil das Zelt bedenklich wackelt. Eine Kuhherde zieht um uns herum. Zum Glück steht unsere Gummikuh direkt vor dem Zelteingang und schützt uns so vor den Hörnerviechern – sie stolpern allerdings über die Spannleinen und ziehen sie aus den Heringen.

Am Morgen werden wir gleich wieder von den Steckmücken überfallen. Die sind hier wohl besonders hitzeresistent und wir beeilen uns, das Zelt abzubauen und zu verstauen und machen uns wieder auf den Weg.

Nach kurzer Zeit werden wir wieder von einem wild hupenden Kleinlaster überholt. Wir winken zuerst freundlich zurück, aber er fuchtelt wild herum und da ich schon seit einiger Zeit ein bedenkliches Geräusch höre, und befürchte es seien die Stoßdämpfer im Beiwagen schaue ich nach hinten und entdecke, das der Packen mit Zelt, Angelzeug und Lederhosen sich gelöst hat und nun hinter uns her schleift. Die Zelttasche sieht aus wie ein Schweizer Käse und meine Lederhose liegt ca 30 m hinter uns auf der Straße – dem Himmel sei Dank für bajuwarische Wertarbeit – sie ist noch heile und nur am Bund etwas gerissen. Die Angeltasche ist nur an einem Verschluß aufgerissen und das einzige wirkliche Problem ist, das wir unsere Zeltheringe verloren haben – dies merken wir allerdings erst am Abend, als wir unser Zelt aufbauen wollen.

Vorher erreichen wir erst mal Atirau - welch ein Kontrast zu den  Dörfern, die wir passiert haben. Die Stadt ist modern und hat trotz Moschee und kasachischem Reiterstandbild ein westliches Flair. Sowohl Umgebung als auch Einwohner wirken wesentlich wohlhabender als wir es bisher erlebt haben. Dies gilt für alle kasachischen Großstädte, die wir in den 10 Tagen gesehen haben. Der Unterschied zum Rest des Landes ist  wirklich extrem.

Wir suchen ein Internetcafé, um endlich mal wieder mit dem Rest der Welt zu kommunizieren und landen schließlich in einer Burgerbar mit kostenlosem Wlan. Wir machen eine Entdeckung, die sich ebenfalls nicht als Ausnahme erweist … Auswärts essen, trinken und schlafen ist in diesem Land sehr teuer : in diesem Fall sind es 11 € für 1 Cheeseburger  1 Sandwich, 3 Wasser und 2 Kaffee (ein Straßenarbeiter verdient hier umgerechnet 300 USD im Monat).

Nachdem unsere Korrespondenz auf dem neuesten Stand ist wollen wir ans Meer und da  ich schon nicht ans Schwarze Meer kam wollen wir wenigstens hier eine Nacht am Strand verbringen. Kaum stehen wir über unsere Landkarte gebeugt am Motorrad sind wir auch schon umringt von Leuten, die uns gerne helfen wollen, aber kein Wort Englisch sprechen. Wir zeigen aufs Meer und Iphones und Navis werden zu Rate gezogen  mit dem Erfolg, das jeder in eine andere Richtung zeigt.

Einer telefoniert seinen Sohn herbei, der etwas Englisch spricht, unseren Wunsch, ans Meer zu fahren aber so überhaupt nicht verstehen will. Irgendwann ist er aber soweit, das er uns anbietet, uns aus der Stadt zu führen und auf den richtigen Weg zu bringen. Die Beschilderung ist hier nicht existent und wir hätten den Weg nicht allein gefunden.

Die Straße in Richtung Meer ist super und wir kommen schnell in Marschland, das mit hohem Schilf bewachsen ist und dann hört die Straße auf und der Weg ist mit tiefen Furchen durchzogen. Liza ist ja schließlich offroad tauglich und wir kämpfen uns weiter. Kevin ist so konzentriert darauf,  die beste Linie zu finden, das er vergisst, das neben dran ein Seitenwagen ist und plötzlich kommt mannshohes Schilf auf mich zu, ich brülle nur noch Stooopp!!! Und dann hängt der Beiwagen auch schon im ca 1 Meter tiefen Graben und das Moped neigt sich bedenklich hinterher.

Ich hangele mich raus, damit nicht noch das ganze Gefährt weiter abrutscht, während Milliarden von Stickemucke nur darauf gewartet haben, sich auf uns stürzen zu können.

Wir haben Glück im Unglück : ein paar Meter weiter sitzt ein Mann auf einem Turm, unten sind Fahrzeuge geparkt und ein Rundzelt aufgestellt. Ich laufe zu dem Mann, winke wild und rufe ihm zu : Can You help? Wobei ich drückende Armbewegungen mache (wenn ich nicht gerade Blutsauger wegwedeln oder totschlagen muss).

Er klettert von seinem Turm und schaut sich die Sache an, holt sein Auto und mit Luftanhalten kriegen wir unsere Liza tatsächlich aus dem Graben gezogen.

Der Mann macht uns klar, das wir hier nicht wirklich was zu suchen haben und es auch außer Brackwasser und Mücken nichts gibt …… also nix im Meer baden. Jetzt wissen wir auch, warum in der Stadt keiner dafür Verständnis hatte, das wir unbedingt hierher wollten.

Wir fahren zurück und beschließen stattdessen uns einen Frischwassersee landeinwärts zu suchen und dort die Nacht zu verbringen – dann wären wir wenigstens schon mal auf dem Weg in Richtung Astana.

Wir finden viele Seen, aber die sind alle komplett ausgetrocknet aber da die Straße hier gut ist fahren wir halt schon mal 100 km bis wir beschließen, dass es langt und kaufen uns 3 l Wasser und ein paar Flaschen Bier – die brauchen wir heute. Wir fahren noch ein paar km weiter und gerade als Kev sagt, wenn die Straße so bleibt sind wir ruck zuck in Astana, verwandelt sie sich auch schon wieder in die altbekannte Hucklpiste  und so beschließen wir, es für Heute gut sein zu lassen und suchen uns ein Plätzchen am Straßenrand, wo wir etwas geschützt sind und bauen die Überreste unseres Zeltes auf.

Als Erstes Problem fällt nun auf, dass wir den Beutel mit Heringen verloren haben (Gott-sei-dank ist unsere Axt noch da, die haben wir nämlich auch in der Zelttasche verstaut)Das Innenzelt hat einige Löcher abbekommen – die schlimmsten im Boden, das Außenzelt sieht zwar schlimmer aus, wird sich aber sicher irgendwie flicken lassen. Eine Stange müssen wir mit Gewalt geradebiegen, aber sie bricht nicht. Die vier Ecken stecken wir mit Schraubenziehern fest, bis wir was Anderes finden.

Da es hier kaum Wasser gibt sind wenigstens kaum noch Mücken unterwegs

 

Als wir am nächsten Morgen unseren Kaffee genießen und so langsam in die Pötte kommen ahnen wir noch nicht, was uns erwartet.  Wir kommen nach Makat und plötzlich fehlt mal wieder jede Beschilderung und so fahren wir nach Gefühl. An einer Kreuzung halten wir an um uns zu orientieren, da kommt auch gleich eine Schaar kleiner Jungs angerannt und fünf von ihnen kletterten johlend auf jede freie Stelle des Beiwagens, also tun  wir ihnen den Gefallen und kutschierten sie ein wenig die Straße entlang. Als wir wieder anhalten steigen sie brav ab und bedanken sich bei  jedem von uns mit Handschlag. Immer wieder müssen wir anhalten, weil wir nicht wissen wo es weitergeht und jedesmal winkt uns jemand in die richtige Richtung. Und so erreichen wir das Ende der Kleinstadt und damit auch das Ende der Straße, sie ist mit einer Barriere versperrt und dahinter tummeln sich Baumaschinen. Alle Abzweigungen enden in Sackgassen und schließlich kommt ein älterer Mann zu uns, der uns unsere Ratlosigkeit angesehen hat. Wir zeigen ihm die Karte und er winkte in Richtung der versperrten Straße und meint in dieser Richtung sei Aktöbe. Mit der Hand macht er eine hoppelnde Bewegung und malt eine km Zahl auf den Tank, von der ich hoffe, er meint damit die Entfernung bis Aktöbe. Zögernd fahren wir auf die Sandpiste und schon nach weniger als 1 km stehen wir vor einer Abzweigung an der Sandpisten in alle Richtungen gehen. Wieder ist guter Rat teuer und  auch keine Menschenseele zum fragen in Sicht.  Also klettert Kev auf einen Schutthügel, um  einen besseren Überblick zu bekommen und findet genau dort so etwas wie Überreste einer Straße – wo hier und da ein Fitzelchen Teer geblieben ist, ansonsten aber nur der Splitt  des Untergrundes übriggeblieben  und das auch noch mit Löchern durchsetzt. Wir beschließen, hier entlang zu hoppeln und kommen schließlich an so etwas Ähnliches wie ein Schild. Ich hole mein russisch Buch raus und vergleiche die aufgemalten Buchstaben mit dem Alphabet aus dem Lehrbuch und wir entscheiden, das eine Wort könnte vielleicht den Ort ergeben, der auf unserer Karte eingezeichnet ist – man muss nämlich wissen, das kasachisch nicht genau die gleichen Schriftzeichen benutzt und unsere Karte zeigt die Ortsnamen manchmal in europäischer Schrift und dann wieder in russisch an. Gerade wollen wir weiter fahren, da nähern sich uns 2 LKW. Wir winken also einen zum Anhalten und er bestätigt unsere Vermutung. Wir fahren also weiter bis plötzlich beide LKW die Straße verlassen und auf der Sandpiste weiter fahren. Zuerst denken wir, wir seien auf dem falschen Weg, begreifen aber  nach einer Weile, dass es sich auf der  Sandpiste doch besser fahren lässt als auf der Holperstrecke, also fahren auch wir vom Weg ab und auf Sand weiter. Die Sonne scheint extrem heiß, sämtlicher Verkehr dieser Strecke fließt  um uns herum in alle Richtungen und es dauert nicht lange bis wir und jede Ritze unseres Gefährts voller Sand und Staub sind. Nicht selten fühle ich mich an die Paris Dakar erinnert und Kevin hat meine ewige Bewunderung verdient, denn er meistert alle Situationen, sei es Wellblechpiste, tiefe Löcher, steile Auffahrten oder losen Sand, der das Fahrzeug zum Schlingern bringt mit Bravour ( auch wenn er mir erst ein Erdhörnchen zeigte und dann drüber fuhr). Wir haben noch einen halben Liter pipiwarmes Wasser und keine Ahnung, wie weit wir bis zum nächsten Wasserloch fahren müssen. Nachmittags gegen 4 endlich kommen wir in ein gottverlassenes Nest und eines der Gebäude sieht aus, als könne ein Laden oder Cafe drinnen sein. Wir gehen hinein und kommen als erstes in einen lautstarken Streit zwischen der Wirtin und einem Gast, der mit Türen schlagen und hinausbegleiten des Gastes von mehreren Männer einhergeht. Wir werden erst mal für eine Weile ignoriert und dann haben wir Mühe unsere Wünsche -  eine große Flasche Wasser und eine Mahlzeit – begreiflich zu machen. Als der Sohn der Wirtin uns schließlich mit der Rechnung konfrontiert, immerhin 10 € für eine Fl. Wasser und zwei Miniportionen Gulasch mit Brot mache ich große Augen und seine Mutter sagte etwas zu ihm, das für uns so klingt, als ob auch sie von der Höhe des Preises erstaunt ist. Ich zahle mit zusammengebissenen Zähnen und wünschte dem Halsabschneider, das ihm seine eigene Portion in Selbigem stecken bleiben möge (was sie leider nicht tut) und wir machen uns mit unserem Wasser wieder auf den Weg.  Weiter geht es durch Staubschwaden und Heuschreckenschwärme. Jawohl – die Viecher sind 2 ½ cm lang und haben den Selbsterhaltungstrieb von Lemmingen. Man sieht sie wie Geschosse auf sich zukommen und Splatt hat man einen dicken Flatschen gelben Schleim mitten auf dem Visier den man noch nicht mal wegwischen kann, weil die Sonne so heiß ist, dass dies zur Folge hätte, dass das ganze Visier voller trockenem gelben Schleim ist. Gegen Abend fragen wir ein paar Trucker wie lange die Sandpiste noch ist und bekommen die erfreuliche Antwort : 45 Km. Das ist zu schaffen und tatsächlich wird die Straße nach einer Std. wieder befahrbar. Wir kommen an eine Abzweigung im Nichts und eine Strecke ist neu geteert – doch leider ist es nicht unsere und so nehmen wir mit wehmütigem Blick weiteres Geholper  auf uns, das dann nach kurzer Zeit ebenfalls in Sandpiste endet. Wir schlagen unser Lager für die Nacht auf und fallen völlig fertig auf die Matten.

 Der nächste Tag bringt mehr von dem eben Erlebten und Kevin schwingt sich zum Meister der Sandpisten auf. Es wird Abend und wir haben eine Stadt erreicht, die allerdings recht trostlos ist. Wir fragen an der Tanke, wo wir sind und bekommen Aktöbe als Antwort. Da wollten wir ja hin, wir müssen uns ja noch bei der Ausländerbehörde registrieren lassen und einen Stempel abholen. Wir machen uns also auf die Suche und fragen uns mit Händen und Füßen durch. Landen schließlich auf dem Polizeirevier, wo man uns mühevoll klarmacht, dass wir hier nicht in Aktöbe sind und noch 45 Km fahren müssen, was wir auch tun. Es ist schon wieder sehr spät, als wir ankommen und Aktöbe entpuppt sich als riesig (und ebenfalls ohne Verkehrsschilder) Wir suchen unseren Weg ins Zentrum und stehen dann recht blöde da, weil wir nicht wissen, wohin nun. An einem hypermodernen Einkaufszentrum versuche ich mit Computer bewaffnet ein Wlan zu finden, um Herrn Google zu fragen, wo wir nun nächtigen können, aber ich habe kein Glück, finde dafür einen netten Mann, der recht gut Englisch spricht. Er begleitet mich zu Kevin, der bei unserem Lieschen geblieben ist und wie üblich von Bewunderern für unser Gefährt umringt. Unter ihnen sind auch hiesige Motorradfahrer und gemeinsam mit Dimitri als Übersetzer wird geklärt, das die Biker uns erst mal zu einem Hotel führen und am Morgen wieder abholen, und zur Ausländerbehörde begleiten.

Im Hotel angekommen treffen wir auf Albert, einem 73 jährigen Münchner, der allein auf seiner GS unterwegs ist und hier schon seit einer Woche festhängt, weil er einen Platten hat und hier im Land weder einen passenden Schlauch noch Reifen bekommen kann. Er wartet auf Hilfe vom ADAC und freut sich auch mal wieder Deutsch reden zu können. Wir parken unsere treue Liza, nehmen nur das Nötigste mit und freuen uns auf eine Dusche, ein Bier und Schwänzchen mit Adelbert und Zugang zum Internet – und zwar genau in dieser Reihenfolge.

Das Hotel ist zwar eines der günstigsten in der Stadt, aber doch erheblich über unserem Budget – selbst in Kiev haben wir nur halb soviel zahlen müssen – Wir kommen zu dem Schluss, das Kasachstan bis auf Sprit doch ganz schön teuer ist.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen und einem weiteren Schwätzchen  mit Adelbert, der sich als wahrer Weltenbummler und Erzähler von interessanten Reisegeschichten erweist kommt unsere Eskorte: Timyr und Vlad – diesmal stilecht mit Repsol Honda und bringt uns erst wie versprochen zur Behörde und dann noch aus der Stadt und auf den rechten Weg in Richtung Astana.

Von Aktobe nach Astana sind es ca 1421 km also wieder eine Menge zu fahren und so legen wir los. Es ist nicht sonderlich warm und immer wieder regnet es. Weiterhin ist alles flach, aber hier oben im Norden ist das Land grüner, feuchter und wir haben unsere geliebten Stechmücken zurück. Am Abend bauen wir unser Zelt nicht weit von der Straße hinter ein paar Büschen auf und bekommen am nächsten Morgen zum Frühstück auch gleich Besuch von einer Polizeistreife. Wir machen ihnen klar, dass wir hier nur geschlafen haben und es geht gleich weiter und so schauen sie sich nur unser Moped an und fahren dann weiter. Als wir eine halbe Std. später alles verstaut haben und weiter fahren  kommt uns der Streifenwagen wieder entgegen. Sie Schalten den Lautsprecher ein und grüßen mit:“ Good day bye bye!“

Wieder ist das Wetter recht lausig und kalt. Wir kommen irgendwann in ein Dorf voller Schlammlöcher und beschließen, eine Pause zu machen, etwas Brot und andere Lebensmittel einzukaufen und zu tanken. Obwohl es hier schwierig ist, ein Geschäft zu finden schaffen wir den Teil mit den Einkauf, das Tanken klappt nicht – es gibt 2 Tankstellen und beide sind außer Betrieb. Wir treffen 2 Münchner auf großen BMWs und plaudern etwas mit ihnen – sie lassen uns wissen, dass wir uns auf ein Gebiet mit unseren heißgeliebten Heuschrecken freuen dürfen und das die nächste Tankstelle in 125 km kommt – beides stimmt. Die Mistviecher stürzen sich in Wolken auf uns und in kurzer Zeit sind wir und unser Gespann mit den gelben Flatschen ihrer Leichen gepflastert. Die nächsten 2 Tage gibt es außer fahren nicht sonderlich viel zu berichten – abends suchen wir uns mehr oder weniger nette Ecken fürs Zelt, mal an einem und an 22. Kommen wir endlich in der berühmten Hauptstadt Kasachstans an.

Es ist schon ein ziemlicher Kulturschock. Wir haben ja schon erfahren, dass der Unterschied zwischen Großstadt und allen anderen Teilen des Landes frappierend ist, aber hier tut sich noch einmal eine neue Klasse auf. Astana ist ein komplett geplantes Prestigeobjekt, mit dem sich ein Präsident ein Denkmal gesetzt hat. Er war in Almaty (manche kennen es auch als Alma Ata) nicht bliebt und so hat er kurzum eine neue Hauptstadt bauen lassen, die den originellen Namen: Hauptstadt erhielt – denn nichts anderes heißt Astana auf kasachisch.

Astana ist wie erwartet groß, die Straßennamen können wir nicht lesen, aber die Angaben des Hostels sind gut und nachdem wir 2 Leute angehalten haben findet sich einer, der vor uns herfährt und ruck zuck sind wir da.

Es gibt nach Geschlechtern getrennte Zimmer, aber eine Dusche, eine Waschmaschine und Internet – welch ein Luxus.

Im Mädelszimmer treffe ich auf Sadaf, eine junge allein reisende Amerikanerin aus New York und wir unterhalten uns erst mal recht blendend mit Reisegeschichten, wobei wir wohl beide genießen, endlich mal einfach zu reden, wie der Schnabel gewachsen ist.

Wir duschen erst mal und fühlen uns wie neugeboren. Dann ziehe ich los, um einen Supermarkt zu finden – wir brauchen ein paar Zigaretten, ein Bier ( oder 2) und irgendwas zum essen. Ich kann allerdings irgendwie nicht so recht ausmachen, wo ich was kaufen kann, also bin ich eine ganze Weile unterwegs, komme aber an einer Bank vorbei; also beschließe ich spontan zu versuchen, Geld zu tauschen.

Es ist allerdings nicht ganz so einfach. Eine Kundin der Bank spricht etwas Englisch und zeigt mir, wie ich vorgehen muss. Zuerst holt man sich an einem Ticketautomaten (an dem man eingibt, was man auf der Bank vorhat) eine Nummer ausdrucken lassen. Dann setzt man sich auf einen Stuhl und wartet bis die Nummer mit dem dazugehörigen Schalter auf einer Tafel auftaucht (die Stühle stehen in vier Reihen wie im Kino davor). Wenn man dann endlich dran ist geht man zu dem angegebenen Schalter und sagt, was man will. In meinem Fall versteht man mich natürlich nicht und so hole ich einfach die Euroscheine raus und wedele sie vor der Scheibe, wobei ich mehrfach : „ change, change!“ von mir gebe. Die Frau am Schalter zuckt mit den Schultern und zeigt auf den Nachbarschalter – wo natürlich gerade jemand bedient wird. Also setze ich mich wieder hin und warte.  Endlich bin ich dran und gebe 200 € in kleinen Scheinen rüber, wobei ich wieder klarmache, das ich change vorhabe. Die Scheine werden in Sorten 3 mal durch einen Scheinzähler gejagt und das gleiche geschieht dann mit dem kasachischen Geld. Alles in allem hat der Vorgang ca. eine ¾ Std. gebraucht, aber ich habs geschafft.

Nun kommt der Supermarkt dran und auch hier werde ich fündig. Ich werde am Eingang aufgefordert, meine Tasche abzugeben, täusche aber vor nix zu verstehen bis sie schließlich aufgeben und mich einfach weiter winken. Jetzt habe ich das nächste Problem – was ist hier was? Ich kaufe Shrimps,  Muscheln, Tomatensoße, Milch, Brot und Käse, Bier, Zigaretten und eine Flasche J&B weil ich doch noch was Schönes kochen möchte und ein klein wenig Geburtstag feiern.

Als ich zurück ins Hostel komme, sind sicher fast 2 Std. vergangen und alle haben sich schon Sorgen gemacht.

Abends kommt dann noch Chris im Hostel an, ein gebürtiger Kanadier, der aber in Peking lebt und arbeitet und Reisen als Hobby hat wieder werden jede Menge interessante Anekdoten ausgetauscht und wir 4 Ausländer beschließen für den kommenden Tag die Stadt gemeinsam zu erkunden, wobei Kev und ich sehr von der Ortskundigkeit und den Sprachkenntnissen der anderen Beiden profitieren.

Wir fahren mit dem Bus ins Stadtzentrum und schauen uns dort staunend um. Manchmal scheint es, als ob die Stadtplaner  einfach alles haben bauen lassen, Hauptsache es ist modern und möglichst ungewöhnlich. Immer wieder werden wir auf Englisch angesprochen und im Land willkommen geheißen. Alle scheinen sich zu freuen, echte Touristen zu treffen.

Wir sind wirklich beeindruckt – Astana hat tatsächlich bewirkt, wofür es gebaut wurde.

Am nächsten Morgen müssen wir weiter, es sind noch ca 500 km bis wir wieder in Russland einreisen und die müssen wir recht schnell bewältigen, unsere 30 Tage Russland sind schon zur Hälfte abgelaufen, wir haben leider keine Zeit fürs Altaigebirge, aber wenigstens Baikal wollen wir noch sehen.

Kasachstan war eine interessante Erfahrung und wieder Erwarten haben wir die Zeit in der Wüste und Halbwüste am meisten genossen. Das Fahren in dieser Umgebung hat von uns Beiden viel abgefordert, aber es war auch höchst befriedigend, diesen Test bestanden zu haben.

Das Beste waren aber die Gerüche in der Wüste – alles ist voller Wachholder, der hier nur kleinwüchsig ist, aber den Boden wie ein Teppich bedeckt und jeder Schritt, ja sogar das Umdrehen nachts im Zelt brachte den Wachholder zum Duften.

Die Menschen sind arm in den meisten Gegenden (trotz Öl- und Gasreichtum der wohl komplett in die Hauptstadt und die Großstädte fließt)aber extrem freundlich, überall hat man uns gehupt und  gewunken, oft hat sich jemand spontan angeboten, uns den Weg zu zeigen, oder vor uns herzufahren weil es mal wieder keine Beschilderung gab. Wer nicht mit uns reden konnte, hat wen angerufen, der es konnte. Am meisten hat mich in diesem Land überrascht, wie teuer alles im Vergleich ist und ich frage mich, wie der Großteil der Menschen überlebt. Aber dann sehen wir wieder den Einfallsreichtum – Sprit sparen, indem man sich gegenseitig abschleppt – einmal sahen wir sogar einen Dreier – ein LKW zieht einen Kleinbus, zieht einen Personenwagen……

Vielleicht kommen wir irgendwann wieder, um die wenigen Berge, die es hier gibt doch mal anzusehen